Pressemitteilungen Neue Einblicke: So wandern Kalium und Natrium durch Ionenkanäle



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01.03.2022 15:44

Pressemitteilungen Neue Einblicke: So wandern Kalium und Natrium durch Ionenkanäle

Winzige Ionenkanäle sorgen dafür, dass Kalium und Natrium in unsere Zellen gelangen. Dabei müssen die Ionen ein Nadelöhr passieren, den sogenannten Selektivitätsfilter. Dessen Struktur ist mittlerweile gut beschrieben, jedoch war es bislang nicht möglich, die Ionen selbst im Kanal zu betrachten, jedenfalls nicht unter natürlichen Bedingungen. Durch eine Weiterentwicklung der Festkörper-NMR-Spektroskopie ist Forschenden vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) genau das jetzt gelungen. Die neuen Einblicke wurden soeben im renommierten Journal of the American Chemical Society veröffentlicht und haben auch über die Grundlagenforschung hinaus eine große Bedeutung.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Sie sind nur wenige Nanometer groß und besitzen eine fundamentale Bedeutung für biologische Prozesse: Ionenkanäle lassen lebenswichtige Ionen wie Kalium oder Natrium in unsere Zellen hinein- und auch wieder hinausströmen. Kaliumionen werden zum Beispiel für die Weiterleitung von Nervenimpulsen oder die Steuerung der Herzfrequenz benötigt. Schon kleinste Veränderungen an den Kanälen können zu schweren Komplikationen führen. Kein Wunder also, dass sich die Wissenschaft ausgiebig mit diesen winzigen Zellmembranproteinen befasst. Am Berliner Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) tun dies gleich mehrere Arbeitsgruppen; einige dieser Kanäle wurden hier sogar entdeckt.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Adam Lange untersucht seit längerem Ionenkanäle in Zellmembranen unter natürlichen Bedingungen mit Hilfe der Festkörper-Kernspinresonanz (NMR)-Spektroskopie. Diese Technologie liefert aussagekräftigere Daten als die sonst übliche Röntgenkristallografie, die die kleinen Kanäle nur in einem wenig realistischen Umfeld darstellen kann. Durch technologische Fortschritte haben die Forschenden in den letzten Jahren insbesondere viel über die Funktion und Struktur des Selektivitätsfilters gelernt. Das ist jenes zentrale Nadelöhr in den Kanälen, das Abermilliarden von Ionen täglich passieren müssen.
Bislang war es allerdings nicht möglich, die Ionen selbst unter natürlichen Bedingungen im Filter zu betrachten. Denn Kalium und Natrium lassen sich mit der NMR Spektroskopie praktisch nicht detektieren.

Der Trick mit dem Ammonium
Mit einem Trick hat das Forscherteam nun dieses Problem gelöst: Das Ion Ammonium ist mit seinen beiden Komponenten Stickstoff und Wasserstoff sehr wohl in der NMR Spektroskopie detektierbar, und ansonsten Kalium Ionen sehr ähnlich. Es dient in diesem Falle als hervorragender Ersatz.
„Vorher waren die Ionen für uns nicht sichtbar, wir waren sozusagen blind, weil es keine passende Technik gab“, erklärt Carl Öster, Erstautor der im renommierten Fachjournal „JACS“ publizierten Studie. „Durch den Trick mit dem Ammonium und weiteren technischen Anpassungen können wir die Ionen nun zum ersten Mal direkt im Kanal anschauen.“
Die Forscher wollen die „Ammonium-Methode“ zum Beispiel dafür nutzen, pharmakologische Effekte zu untersuchen. Für einige Moleküle bzw. Medikamente wurde nämlich gezeigt, dass sie die Konfiguration der Ionen im Selektivitätsfilter beeinflussen. Doch wie das genau geschieht war bis dato schwer zu untersuchen.

Neue Perspektiven für die Ionenkanalforschung
Adam Lange und seine Arbeitsgruppe haben für die aktuelle Studie intensiv mit Forschern vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen zusammengearbeitet. Die Göttinger Kollegen haben unter anderem Molekulardynamiksimulationen durchgeführt, mit denen sich am Computer beobachten lässt, wie die Ionen durch den Kanal wandern. Zudem haben dort Messungen an einem 1,2 GHz NMR-Spektrometer stattgefunden, deren Ergebnisse ebenfalls mit in die aktuelle Studie eingeflossen sind. Derart hochauflösende Geräte gibt es derzeit nur an sehr wenigen Standorten weltweit – einer davon ist Göttingen.
Doch auch auf dem Campus Berlin Buch wird bald ein 1,2 GHz NMR-Spektrometer stehen. Das FMP errichtet dafür gerade ein eigenes Gebäude, bis zum Sommer soll es fertig sein. „Das wird unseren Standort für die nächsten zehn Jahre enorm stärken“, meint Adam Lange. Der Biophysiker hat noch einen weiteren Aspekt vor Augen: „Wir werden uns mit dem Spitzengerät noch komplexere Ionenkanäle anschauen können, und diese Grundlagenforschung wird früher oder später auch für pharmakologische Ansätze von großem Nutzen sein.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Adam Lange
Abteilung Molekulare Biophysik
Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
alange@fmp-berlin.de
Tel: 0049 30 94793-190
www.leibniz-fmp.de/lange


Originalpublikation:

Carl Öster, Kumar Tekwani Movellan, Benjamin Goold, Kitty Hendriks, Sascha Lange, Stefan Becker, Bert L. de Groot, Wojciech Kopec, Loren B. Andreas, Adam Lange, Direct Detection of Bound Ammonium Ions in the Selectivity Filter of Ion Channels by Solid-State NMR, J. Am. Chem. Soc., doi.org/10.1021/jacs.1c13247


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Chemie, Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW