10.02.2020 09:22
Proteine in ihrer natürlichen Umgebung beobachten
Bestimme Medikamente, zum Beispiel gegen Krebserkrankungen, verlieren ihre Wirkung, weil Proteine in der Membran der Zielzelle sie einfach wieder ausschleusen. Ein verantwortliches Transportprotein konnte ein Team der Ruhr-Universität Bochum (RUB) erstmals in seiner natürlichen Umgebung beobachten. Dazu markierten die Forscherinnen und Forscher es mit kleinen Sequenzen von Antikörpern, an denen ein Kontrastmittel angedockt war. Dessen Spin konnten sie mittels Elektronenspinresonanz detektieren und Rückschlüsse auf den Zustand des Proteins ziehen.
Über die Methode berichtet das Team um Prof. Dr. Enrica Bordignon und Dr. Laura Galazzo vom Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation Resolv (http://www.solvation.de/) in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Prof. Dr. Markus Seeger von der Universität Zürich in der Zeitschrift PNAS vom 4. Februar 2020.
Nanobodies finden das Protein un d binden daran
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Bisher konnte man Membranproteine nur isoliert untersuchen, wobei die Gefahr besteht, dass sie ihre für die Funktion ausschlaggebende Gestalt verlieren. Das Team von Resolv konnte sie nun in ihrer natürlichen Umgebung in der Membran von Escherichia-coli-Bakterien beobachten. „Dort ist es sehr eng und voll“, beschreibt Enrica Bordignon. Der Trick des Teams besteht darin, zwei nur wenige Nanometer kleine Sequenzen von Antikörpern als Markierung zu benutzen, sogenannte Nanobodies. „Wir verwenden exakt die Sequenzen, die bestimmte Abschnitte des Proteins erkennen und daran binden können“, erklärt Laura Galazzo.
Die Auswahl der richtigen Nanobodies übernahm das Team von Markus Seeger. „Dank der von uns entwickelten Selektionsplattform, die die Immunisierung von Tieren umgeht, kann jedes Labor schnell synthetische Nanobodies für jeden Zweck erzeugen. Das bedeutet einen Schritt zu ihrer Verwendung in der strukturellen Biologie, wie diese Arbeit zeigt“, so Seeger.
An die beiden Nanobodies werden Gadolinium-Atome angehängt. Gadolinium wird auch als Kontrastmittel für Kernspintomografien eingesetzt und kann aufgrund seines Elektronenspins sichtbar gemacht werden. Da sich die so markierten Nanobodies schlecht in Bakterien einschleusen lassen, wurden diese nach außen umgestülpt, sodass das Innere der Membran außen zu liegen kam.
Signal nur bei einer bestimmten Gestalt
„Die Nanobodies binden sofort an die Sequenz des Membranproteins, die sie erkennen, und sind dann auch kaum noch von ihnen zu lösen“, so Enrica Bordignon. Die so behandelten Bakterien untersuchten die Forscherinnen und Forscher dann mittels Elektronenspinresonanz, englisch electron paramagnetic resonance, kurz EPR. „Dabei konnten wir nur dann ein Signal empfangen, wenn sich zwei unserer unterschiedlichen Nanobodies in unmittelbarer Nähe zueinander befanden“, erklärt Laura Galazzo. Das war genau dann der Fall, wenn das Protein die Konformation einnimmt, die Wirkstoffe aus der Zelle herausschleust.
„Unsere Arbeit zeigt, dass die Methode, mit der wir Abstände im Bereich von 1,5 bis 6 Nanometern erreichen, funktioniert“, so Enrica Bordignon. „Im nächsten Schritt wollen wir die Nanobodies in Bakterien einschleusen, um künftig an lebenden Zellen beobachten zu können, wann das Membranprotein in welchem Zustand ist.” „Diese Technik eröffnet ungeahnte Möglichkeiten“, sagt Laura Galazzo.
Förderung
Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Exzellenzclusters Ruhr Explores Solvation Resolv, EXC-2033, Projektnummer 390677874, BO3000/1-2, INST 130/972-1 FUGG, und durch den Schweizerischen Nationalfonds (PP00P3_144823).
Originalveröffentlichung
Laura Galazzo, Gianmarco Meier, M. Hadi Timachi, Cedric A. J. Hutter, Markus A. Seeger, Enrica Bordignon: Spin-labeled nanobodies as protein conformational reporters for electron paramagnetic resonance in cellular membranes, in: PNAS, 2020, DOI: 10.1073/pnas.1913737117, https://www.pnas.org/content/early/2020/01/14/1913737117
Pressekontakt
Prof. Dr. Enrica Bordignon
Arbeitsgruppe EPR-Spektroskopie
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 26239
E-Mail: enrica.bordignon@rub.de
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Enrica Bordignon
Arbeitsgruppe EPR-Spektroskopie
Fakultät für Chemie und Biochemie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 26239
E-Mail: enrica.bordignon@rub.de
Originalpublikation:
Laura Galazzo, Gianmarco Meier, M. Hadi Timachi, Cedric A. J. Hutter, Markus A. Seeger, Enrica Bordignon: Spin-labeled nanobodies as protein conformational reporters for electron paramagnetic resonance in cellular membranes, in: PNAS, 2020, DOI: 10.1073/pnas.1913737117, https://www.pnas.org/content/early/2020/01/14/1913737117
Weitere Informationen:
http://Originalpaper: https://www.pnas.org/content/early/2020/01/14/1913737117
http://Presseinformation zur vorherigen Arbeit: https://news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2019-06-17-medikamentenresi…
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch