„Schweizer Taschenmesser“ für Influenzaviren



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17.01.2023 14:21

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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„Schweizer Taschenmesser“ für Influenzaviren

Wie Viren ihre wenigen Proteine für unterschiedlichste Funktionen nutzen – Team des Forschungscampus Mittelhessen identifiziert Mechanismus für die Steuerung des viralen M1-Proteins

In jedem Jahr erkranken weltweit Millionen von Menschen an der Influenza, der sogenannten „echten“ Grippe. Obwohl Influenza-Viren nur über ein gutes Dutzend an Virusproteinen verfügen, erfüllen sie damit sehr erfolgreich unterschiedlichste Aufgaben – vom Eindringen in die Zellen des Atemtrakts über die Vervielfältigung des RNA-Erbguts bis hin zur Bildung neuer Viren. Ein Forschungsteam der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und der Philipps-Universität Marburg hat jetzt untersucht, wie insbesondere das virale M1-Protein für zahlreiche verschiedene Prozesse zuständig sein kann – ähnlich wie ein „Schweizer Taschenmesser“. Die Forschungsergebnisse, die Ansatzpunkte für neue Influenza-Therapien bieten könnten, sind jetzt in der Zeitschrift „mBio“ veröffentlicht worden.
Das M1-Protein ist nicht nur für die Stabilität des Viruspartikels verantwortlich, sondern reguliert unter anderem auch das Ablesen des Virusgenoms und fördert den Zusammenbau der einzelnen Virusbestandteile sowie das Herausschleusen aus der Wirtszelle (die so genannte Knospung). Bei diesen Prozessen liegt das virale M1-Protein in unterschiedlichen Formen vor, entweder als größerer Molekülkomplex (Multimer), um bei der Knospung zu helfen, oder aber auch als kleineres Einzelmolekül (Monomer).
Den Forschenden konnten nun erklären, wie sich der Zustand des M1-Protein ändern kann und damit die Virusinfektion in so unterschiedlichen Funktionen unterstützt. Wie die Gießener Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Lienhard Schmitz (biochemisches Institut) und Prof. Dr. Stephan Pleschka (Institut für Medizinische Virologie) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Michael Kracht (Rudolf-Buchheim-Institut für Pharmakologie) sowie Dr. Uwe Linne (Abteilung für Massenspektrometrie und Elementanalytik der UMR) zeigten konnten, begrenzt das Anfügen einer Phosphatgruppe (Phosphorylierung) an das M1-Protein seine Fähigkeit zur Ausbildung von Multimeren. Für die Virusvermehrung ist das essentiell.
Über die Phosphorylierung wird ebenfalls die Bindung des M1-Proteins an ein Netzwerk von zellulären signalübertragenden Proteinen begrenzt, für das die beteiligten Forschenden eine Rolle bei der Vermehrung der Influenzaviren nachweisen konnten. „Wir gehen davon aus, dass damit neue therapeutische Optionen für die Behandlung von Influenza-Infektionen verbunden sein könnten“, erklärt Prof. Schmitz. „Dafür wird es künftig notwendig sein, Regulatoren dieser M1-Phosphorylierung zu identifizieren.“

Campus-Schwerpunkt „Mikroorganismen und Viren“
Das Erkennen übergreifender Strategien von Mikroben und Viren sowie deren Interaktion untereinander und mit dem Wirt ist das zentrale Ziel der gemeinsamen Forschungsaktivitäten der Forschenden im Campus-Schwerpunkt „Mikroorganismen und Viren“ des Forschungscampus Mittehlhessen (FCMH). https://www.fcmh.de/mv


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Lienhard Schmitz
Biochemisches Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)
Friedrichstrasse 24, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-47570
E-Mail: Lienhard.Schmitz@biochemie.med.uni-giessen.de

Prof. Dr. Stephan Pleschka
Institut für Medizinische Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)
Schubertstraße 81, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-47750
E-Mail: Stephan.Pleschka@viro.med.uni-giessen.de


Originalpublikation:

Liu, L., Weber, A., Linne, U., Shehata, M., Pleschka, S., Kracht, M., & Schmitz, M. L. (2023). Phosphorylation of Influenza A Virus Matrix Protein 1 at Threonine 108 Controls Its Multimerization State and Functional Association with the STRIPAK Complex. mBio, 2023 Jan 5. Advance online publication.
https://doi.org/10.1128/mbio.03231-22


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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW