12.02.2019 10:05
Tübinger Forscher finden Signalweg, der schützende Mechanismen im Entzündungsprozess kontrolliert
Professorin Valbona Mirakaj, Leiterin der Sektion Molekulare Intensivmedizin am Universitätsklinikum Tübingen hat aktuell im Wissenschaftsjournal Nature Communications zu einen neuen Aspekt der neuronalen Reflexbahnen publiziert. Mirakaj und ihrem Team ist es gelungen, eine dynamische Kooperation zwischen adrenergen Nerven und RGM-A zu identifizieren, die Inflammations- und Resolutionsprogramme reguliert. Dieses Zusammenspiel kontrolliert synergistisch zentrale angeborene protektive Mechanismen der Resolution einer akuten Inflammation und fördert die Gewebsheilung und Regeneration.
Eine akute Entzündungsreaktion ist ein fundamentaler Prozess, welcher vielen physiologischen und pathophysiologischen Mechanismen zugrunde liegt. Ein entscheidender Schritt während der initialen Immunantwort ist die Kontrolle der Leukozytenmigration. Das Versagen dieser Kontrolle kann zu chronischen Inflammationen mit weiteren Gewebsschädigungen bis zum Funktionsverlust eines Organs führen.
Während der Entzündungsresolution, einer grundlegenden Phase der Inflammation, werden Specalized Proresolving Mediators (SPM) wie Lipoxine, Resolvine, Protektine und Maresine synthetisiert, um die akute Entzündung aufzulösen und letztlich die Homöostase wiederherzustellen. Auf zellulärer Ebene umfasst dieser Auflösungsprozess die Begrenzung der weiteren Invasion von Neutrophilen und deren Apoptose, die Gegenregulation proinflammatorischer Mediatoren sowie die aktive Beseitigung apoptotischer Zellen und eindringender Mikroorgansimen. Zellen wie Makrophagen sind zentrale Regulatoren der Gewebshomöostase und Gewebereparatur, indem sie ihren Phänotyp von pro- zu antiiflammatorisch wechseln können.
Nicht-auflösende Entzündungen können zu schweren kritischen Erkrankungen wie Peritonitis, Lungenversagen oder Sepsis führen. Um zur Gewebsintegrität zurückkehren zu können, ist eine effiziente Immunantwort gegen eindringende Pathogene und eine vollständige Resolution der Inflammation notwendig.
Im sich entwickelnden zentralen Nervensystem werden Axone genau zu ihrer finalen Position durch ein Gleichgewicht chemoattraktiver und chemorepulsiver Signale gelenkt. Eines dieser Signalproteine ist das Repulsive Guidance Molecule A (RGM-A), welches als repulsives Signal die axonalen Wachstumskegel im Gehirn steuert. Diese gezielte Migration ist nicht nur eine Voraussetzung für die Entwicklung des Nervensystems, sondern auch essentiell für Immunantworten.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
In neueren Arbeiten konnte gezeigt werden, dass RGM-A während der akuten Entzündung immunmodulatorische Funktionen besitzt. Jüngste Untersuchungen konnten eine bidirektionale Kommunikation zwischen dem Immun- und Nervensystem aufzeigen, welche inflammatorische Mechanismen reguliert. Insbesondere neuronale Reflexe nehmen periphere Entzündungen wahr und beeinflussen diese in der initialen Phase.
In Anbetracht dieser Erkenntnisse untersuchten die Tübinger Wissenschaftler die Rolle des Sympathikus im Zusammenspiel mit den immunmodulatorischen Funktionen von RGM-A während der Entzündungsresolution. Sie konnten zeigen, dass es eine dynamische Kooperation zwischen adrenergen Nerven und RGM-A gibt, die Inflammations- und Resolutionsprogramme reguliert. Diese Kooperation spiegelt sich im Wechsel des Makrophagenphänotyps von klassischer (M1) zur alternativen (M2) Aktivierung sowie in einem murinen Peritonitismodell wider. Hier reduzierten adrenerge Nerven und RGM-A synergistisch das Ausmaß der inflammatorischen Peritonitis, verkürzten das Resolutionsintervall, stimulierten die lokale Synthese von SPMs, förderten die Phagozytose apoptotischer Zellen sowie die Gewebsregeneration.
Durch eine chemische Sympathektomie wurde der Schweregrad der Peritonitis erhöht und die Resolution gehemmt, wohingegen die zusätzliche Applikation von RGM-A den Resolutionstonus wiederherstellte. Außerdem wurden in peritonealen Monozyten nach Stimulation mit einem β2AR Agonisten und/oder RGM-A NF-κBSignalwege gehemmt und RICTOR sowie PI3K/AKT-Wege aktiviert.
Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse einen neuen Aspekt der neuronalen Reflexbahnen, wobei adrenerge Nerven und RGM-A synergistisch zentrale angeborene protektive Mechanismen der Resolution einer akuten Inflammation kontrollieren sowie die Gewebsheilung und Regeneration fördern.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Universitätsklinikum Tübingen
Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
Sektion Molekulare Intensivmedizin
Professorin Dr.med. Valbona Mirakaj
Tel. 07071 29-86344
E-Mail valbona.mirakaj@uni-tuebingen.de
Originalpublikation:
Sympathetic nervous system controls resolution of inflammation via
regulation of repulsive guidance molecule A
Andreas Körner1, Martin Schlegel1, Torsten Kaussen2, Verena Gudernatsch1, Georg Hansmann2, Timo Schumacher2, Martin Giera3 & Valbona Mirakaj1
Nature Communications, doi 10.1038/s41467-019-08328-5
https://www.nature.com/articles/s41467-019-08328-5
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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