07.03.2019 09:30
Übertriebene Hygiene fördert Antibiotikaresistenz
Grazer Forschende präsentieren in Nature Communications erste Ansätze, wie die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen in Krankenhäusern verhindert werden kann.
Weltweit steigt die Zahl der Menschen, die an antibiotikaresistenten Keimen erkranken und sterben. Die Weltgesundheitsorganisation WHO sieht eine der wichtigsten globalen Herausforderungen darin, die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen zu verstehen und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Hierzu initiierte Gabriele Berg, Leiterin des Instituts für Umweltbiotechnologie der TU Graz, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit im Rahmen ihres durch den FWF geförderten Forschungsprojektes Plant-associated microbial communities in indoor environment. Dabei wurde untersucht, wie die mikrobielle Kontrolle – das Ausmaß der Reinigungs- und Hygienemaßnahmen – die Entwicklung von Resistenzen beeinflusst. Die Forschung erfolgte gemeinsam mit nationalen Partnern der Medizinischen Universität Graz im Rahmen der interuniversitären Kooperation von BioTechMed-Graz sowie mit internationalen Partnern. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden jetzt in Nature Communications publiziert.
Vergleich von mikrobiell stark und mikrobiell kaum kontrollierten Räumen
Die Forschenden verglichen das Mikrobiom sowie das Resistom – also alle vorhandenen Mikroorganismen und Antibiotikaresistenzen – an der Intensivstation der Universitätsklinik für Innere Medizin am LKH-Universitätsklinikum Graz mit mikrobiell stark kontrollierten Reinräumen der Luft- und Raumfahrtindustrie sowie mit öffentlichen und privaten Gebäuden, die mikrobiell kaum kontrolliert werden. Die Analysen zeigen, dass in Räumen mit hohem Hygieneniveau die mikrobielle Vielfalt abnimmt, sich aber die Diversität der Resistenzen erhöht. „In stark mikrobiell kontrollierten Umgebungen der Intensivstation und der industriell genutzten Reinräume finden sich vermehrt Antibiotikaresistenzen, die ein hohes Potential aufweisen, sich mit Krankheitserregern zu verbinden“, erklärt Studienleiter Alexander Mahnert vom Institut für Umweltbiotechnologie der TU Graz, der jetzt an der Medizinische Universität Graz forscht.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Erste Maßnahmen zur Verhinderung von Resistenzen
Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass eine stabile mikrobielle Vielfalt in klinischen Bereichen der Ausbreitung von Resistenzen entgegenwirkt. „Die mikrobielle Kontrolle von Krankheitserregern wird schon bei Kulturpflanzen und auch am Menschen im Rahmen der Stuhltransplantation erfolgreich angewendet. Unsere Studie ist eine erste Basis dafür, solche Ideen zukünftig auch in Innenräumen zu verfolgen“, so Berg. Regelmäßiges Lüften, Zimmerpflanzen, der gezielte Einsatz von nützlichen Mikroorganismen oder die Reduktion von antibakteriellen Reinigungsmitteln könnten erste Strategien sein, um die mikrobielle Vielfalt zu erhalten oder zu verbessern.
In einem nächsten Schritt möchte das Forschungsteam an der TU Graz nun biotechnologische Lösungen für eine maßgeschneiderte mikrobielle Vielfalt entwickeln und implementieren.
Kooperationspartner:
Institut für Umweltbiotechnologie der TU Graz; Universitätsklinik für Innere Medizin der Medizinischen Universität Graz; BioTechMed Graz; Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft, Universität Wien; Department of Life Sciences, Ben-Gurion University of the Negev Israel,
Centro Nacional de Biotecnologia, CSIC, Madrid, Spanien
Das Forschungsprojekt Plant-associated microbial communities in indoor environment ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“ verankert, einem von fünf Forschungsschwerpunkten der TU Graz.
Zur Originalpublikation Man-made microbial resistances in built environments in Nature Communications 10, Article number: 968 (2019)
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Gabriele BERG
Univ.-Prof. Dipl.-Biol. Dr.rer.nat.
TU Graz | Institut für Umweltbiotechnologie
Petersgasse 10-12/I, 8010 Graz
Tel: +43 316 873 8310
E-Mail: gabriele.berg@tugraz.at
Alexander MAHNERT
Dr. techn. Msc. Bakk. rer. nat.
Interactive Microbiome Research
Medizinische Universität Graz
Auenbruggerplatz 15
8036 Graz
Tel: +43 316 385 72815
E-Mail: alexander.mahnert@medunigraz.at
Originalpublikation:
Zur Originalpublikation “Man-made microbial resistances in built environments” in Nature Communications 10, Article number: 968 (2019): https://doi.org/10.1038/s41467-019-08864-0
Weitere Informationen:
https://www.tugraz.at/institutes/ubt/home/
http://inneremedizin.uniklinikumgraz.at/Seiten/default.aspx
https://biotechmedgraz.at/
http://cmess.csb.univie.ac.at/
http://in.bgu.ac.il/en/natural_science/LifeSciences/Pages/default.aspx
https://www.cnb.csic.es/index.php/en/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Gesellschaft, Medizin, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch