Veröffentlichungen zu genetischer Diskriminierung und zur Akzeptanz von Datennutzung in der Medizin



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09.04.2020 11:20

Veröffentlichungen zu genetischer Diskriminierung und zur Akzeptanz von Datennutzung in der Medizin

RWTH-Professor Torsten Voigt publiziert mit Autorenteams Forschungsergebnisse mit Relevanz zu Covid-19

Professor Torsten Voigt vom Lehr- und Forschungsgebiet Technik und Diversität der RWTH Aachen veröffentlicht zwei Beiträge in internationalen Fachzeitschriften. In „nature genetics“ stellt er gemeinsam mit weiteren Autorinnen und Autoren das International Genetic Discrimination Observatory vor, dessen Forschung im Kontext von Covid-19 von Relevanz ist. Im „European Journal for Human Genetics“ geht es um die Bereitschaft zur Datennutzung in medizinischen und genetischen Forschungskontexten. Auch diese Fragestellungen sind in der aktuellen Pandemie interessant.

Genetische Diskriminierung

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Das International Genetic Discrimination Observatory mit Sitz an der McGill University im kanadischen Montreal wurde 2019 gegründet. Hier arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 19 Nationen zu Fragen rund um die genetische Diskriminierung, bei der Menschen aufgrund genetischer Merkmale ungerecht oder nachteilig behandelt werden. Über das Ausmaß und die Häufigkeit genetischer Diskriminierung ist weltweit wenig bekannt.
Zahlreiche Entwicklungen beispielsweise in der Präventivmedizin hängen davon ab, genetische Daten von Patientinnen und Patienten sowie Teilnehmenden an wissenschaftlichen Studien auszuwerten. Eine Diskussion über einen möglichen Missbrauch dieser Informationen verhindert jedoch viele Forschungsansätze. Zugleich verringert das Risiko genetischer Diskriminierung die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern, Daten für wissenschaftliche Studien zur Verfügung zu stellen. Professor Voigt analysiert im International Genetic Discrimination Observatory Potenziale und Risiken genetischer Diskriminierung in Deutschland. Er erarbeitet Vorschläge zum Umgang mit genetischer Diskriminierung und Handlungsempfehlungen für die Politik.
Bei der Bekämpfung von Covid-19 hat genetische Forschung eine Schlüsselrolle. Dabei besteht die Gefahr, dass Menschen aufgrund genetischer Prädispositionen benachteiligt werden, weil zum Beispiel bestimmte Medikamente bei ihnen nicht wirken oder sie als Risikogruppen ungleich behandelt werden. In diesem Zusammenhang Diskriminierung zu verhindern, ist eines der Ziele der Arbeitsgruppe von Voigt.
Die Veröffentlichung „Establishing the International Genetic Discrimination Observatory“ in „nature genetics“ ist unter https://doi.org/10.1038/s41588-020-0606-5 abrufbar.

Akzeptanz von medizinischer Datennutzung

In der internationalen Studie „Your DNA, Your Say“ wurden in 22 Ländern Menschen zur Nutzung personenbezogener Daten befragt. An der RWTH wurde hierzu eine repräsentative Stichprobe für Deutschland mit 1.506 Befragten durchgeführt. Die Bereitschaft der Menschen, ihre medizinischen und genetischen Daten für die Forschung zur Verfügung zu stellen, ist in Deutschland mit 56 Prozent geringer als in den englischsprachigen Ländern mit 67 Prozent. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären dies mit dem „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“, das im öffentlichen Diskurs in Deutschland eine große Rolle spielt. Bürgerinnen und Bürger sehen sich in der Verantwortung, sorgfältig zu prüfen, wie personenbezogene Daten genutzt werden, wichtige Rechte zu schützen und dem Gemeinwohl zu dienen. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass Personen, die mit Genetik vertraut sind, eine höhere Bereitschaft haben, ihre persönlichen Daten für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Hier zeigt sich, dass genetische Aufklärung und Bildung die Akzeptanz und Unterstützung von medizinischer Forschung entscheidend erhöhen können.
Im Kontext von Covid-19 und der zentralen Rolle, die evidenzbasierter Medizin in dieser außergewöhnlichen Situation zukommt, liefert diese an der RWTH durchgeführte Studie entscheidende Erkenntnisse, unter welchen Bedingungen Menschen bereit sind, persönliche Informationen mit medizinischen Experten, gemeinnützigen oder privatwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen zu teilen.
Der Artikel „Willingness to donate genomic and other medical data: results from Germany” im European Journal for Human Genetics ist unter https://doi.org/10.1038/s41431-020-0611-2 abrufbar.

Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Torsten H. Voigt
Lehr- und Forschungsgebiet Technik und Diversität
E-Mail: thvoigt@soziologie.rwth-aachen.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW