Welcher Zusammenhang besteht zwischen Mund-Rachenkrebs und Sexualverhalten?



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14.07.2023 10:51

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Welcher Zusammenhang besteht zwischen Mund-Rachenkrebs und Sexualverhalten?

Krebs im Mund- und Rachenraum ist mit vielen Vorurteilen des Sexualverhaltens Betroffener belegt. Die Entstehung von Kopf-Hals-Tumoren wird immer häufiger mit HPV-Infektionen in Verbindung gebracht, die sexuell übertragen werden können. Forschende der Universitätsmedizin Leipzig haben nun herausgefunden, dass sich das Sexualverhalten von Erkrankten mit Mund-Rachentumor, der durch HP-Viren hervorgerufen wurde, nicht von dem gesunder Teilnehmender der Bevölkerungs-basierten Studie LIFE unterscheidet. Die Ergebnisse relativieren die bisherige Einschätzung, dass Betroffene der Erkrankung ein ausschweifendes Sexualleben mit wechselnden Personen hätten.

Das humane Papillomvirus (HPV) ist ein verbreitetes Virus mit dem sich die meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben infizieren. Es kann die Haut und die Schleimhäute an verschiedenen Körperregionen angreifen. Mehr als 100 verschiedene HPV-Typen sind bekannt, die meisten davon sind gutartig. Bei vielen Menschen treten HPV-Infektionen auf und klingen wieder ab, ohne dass sich Symptome zeigen. Manche HPV-Subtypen sind allerdings nicht harmlos. Sie können Zellen infizieren, Krebsvorstufen bilden und letztlich sogar Krebs auslösen oder begünstigen. Auch die Entstehung von Kopf-Hals-Tumoren wird immer häufiger mit einer HPV-Infektion in Verbindung gebracht.

Weil HPV-Infektionen sexuell übertragen werden können, gelten Tumore wie beispielsweise diejenigen des Gebärmutterhalses, des Mund- und Rachenraumes, aber auch Anal-, Penis- und Vulvakarzinome als sexuell übertragbare Erkrankungen. Etwa ein Drittel der in Deutschland diagnostizierten Oropharynxkarzinome werden durch HP-Viren hervorgerufen. Betroffenen wird oft ein Sexualverhalten mit häufig wechselnden Personen sowie eine erhöhte Frequenz von Oralsex unterstellt und auch unter Fachleuten als Risikofaktor diskutiert. Zu dieser Sicht zentral beigetragen haben Studien aus den USA, die mehrfach beschrieben, dass die Frequenz von Oral- und Vaginal-Sexualpartnerinnen und Sexualpartnern mit Oropharynxkarzinomen höher läge.

Im Rahmen der aktuellen Studie wurden 303 Kontrollprobanden der Leipziger LIFE-Studie eingeladen, interviewt und die Antworten mit denen von 317 an Kopf-Hals-Tumoren Erkrankten der LIFE-Studie verglichen. „Unsere aktuelle Studie relativiert die bisherige Sicht, dass das HPV-assoziierte Oropharynxkarzinom eine Erkrankung von Menschen mit sehr ausschweifendem Sexualleben sei, die eine deutlich höhere Zahl wechselnder Geschlechtspartner haben sollen. Das Sexualverhalten unserer Patientinnen und Patienten unterscheidet sich bezüglich wechselnder Sexualpartner nicht von dem der Kontrollgruppe und anderen Patienten, die an nicht HPV-assoziiertem Mund- und Rachenkrebs erkrankt sind“, sagt Prof. Andreas Dietz, Direktor der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde und Professor für HNO-Heilkunde an der Universität Leipzig. Die Studie wurde aktuell im Journal Cancers publiziert.

„Unsere Forschungsergebnisse bestätigen eine Reihe bereits bekannter vermeidbarer Risikofaktoren. Dies umfasst unter anderem den Verzicht auf Tabakrauchen und täglich hohen Alkoholkonsum. Zum Schutz kann aber auch die möglichst frühzeitige Impfung beider Geschlechter gegen das HP-Virus beitragen“, sagt Dr. Gunnar Wichmann, Erstautor und Leiter des HNO-Forschungslabors der Universitätsmedizin Leipzig. Der sexuelle Übertragungsweg sei für die Infektion mit HPV relevant. Die Studie zeigt, dass die Teilnehmenden mit Oropharynxkarzinom häufiger vor dem 18. Lebensjahr sexuell aktiv waren. „Insofern ist die frühe HPV-Impfung von Mädchen und Jungen vor der Geschlechtsreife unbedingt zu empfehlen“, sagt Prof. Dietz. Die Impfstoffe gegen HPV sind für Mädchen und Jungen ab neun Jahren zugelassen und die Kosten der Impfung unter 18 Jahren werden von allen gesetzlichen Krankenkassen getragen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. med. Andreas Dietz
Direktor der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig
Professor für HNO-Heilkunde, Universität Leipzig
Mail: Andreas.Dietz@medizin.uni-leipzig.de
Tel: 0341 97 21700


Originalpublikation:

Originalpublikation in Cancers: Is High-Risk Sexual Behavior a Risk Factor for Oropharyngeal Cancer? DOI: https://doi.org/10.3390/cancers15133356


Weitere Informationen:

https://www.aufklaerung-kopf-hals-krebs.de/startseite.html Weitere Informationen zu Kopf-Hals-Krebs und der Make-Sense-Kampagne
https://www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/life/life-erwachsenenkohorten/l… Life-Adult-Studie


Bilder

Etwa ein Drittel der in Deutschland diagnostizierten Tumore im Mund-Rachenraum werden durch HP-Viren hervorgerufen.

Etwa ein Drittel der in Deutschland diagnostizierten Tumore im Mund-Rachenraum werden durch HP-Viren

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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW