Wie sich Bakterien gegen Plasmen wehren



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24.11.2023 10:21

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Wie sich Bakterien gegen Plasmen wehren

Plasmen werden zum Beispiel in der Wundbehandlung gegen Krankheitserreger eingesetzt, die gegen Antibiotika resistent sind. Doch Bakterien können sich wehren: Sie verfügen etwa über ein Hitzeschockprotein, das sie schützt. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Julia Bandow und Dr. Tim Dirks aus dem Lehrstuhl für Angewandte Mikrobiologie der Ruhr-Universität Bochum konnte zeigen, dass Bakterien, die das Hitzeschockprotein Hsp33 überproduzieren, einer Plasmabehandlung effektiver standhalten als andere. Die Forschenden konnten außerdem nachweisen, welche Bestandteile des Plasmas das Hitzeschockprotein aktivieren. Das Team berichtet im Journal of the Royal Society Interface vom 25. Oktober 2023.

Nach drei Minuten waren alle Bakterien inaktiviert

Bei der Behandlung durch ein Plasma entfalten sich Proteine, verlieren ihre natürlichen Funktionen und können verklumpen. Ihr Verklumpen ist toxisch für Zellen und kann zu deren Inaktivierung führen. Das bakterielle Hitzeschockprotein mit einer Größe von 33 Kilodalton, kurz Hsp33, verhindert das Verklumpen, indem es sich entfaltende Proteine bindet.

Um herauszufinden, ob ein Übermaß an Hsp33-Zellen vor Plasma schützt, behandelten die Forschenden Stämme, die das Protein überproduzieren, mit der Plasmaquelle der Firma Cinogy, die in der Dermatologie bereits eine Anwendung findet. Es zeigte sich, dass diese Stämme nach einer kurzen Behandlungszeit von etwa einer Minute deutlich besser überlebten als Bakterien des Wildtyps. „Nach einer Behandlungsdauer von drei Minuten waren aber auch die Zellen inaktiviert, die Hsp33 im Übermaß produzieren“, berichtet Tim Dirks.

Welche Spezies das Hitzeschockprotein aktivieren

Dass Hsp33 durch Plasma aktiviert wird, wiesen die Forschenden nach, indem sie das aufgereinigte Hitzeschockprotein mit der Plasmaquelle behandelten. „Diese Aktivierung geht mit der Oxidation und Entfaltung des Proteins einher und ist umkehrbar“, erklärt Tim Dirks. „Jedoch konnten wir auch zeigen, dass Hsp33 durch längere Plasmabehandlungszeiten von einer Stunde komplett abgebaut wurde.“ Außerdem wurde die Fähigkeit des Proteins, ein Zink-Atom zu binden, durch Plasma negativ beeinflusst. Dieses Zink-Atom stärkt die natürliche dreidimensionale Struktur des Proteins im inaktiven Zustand.

Da bislang nichts darüber bekannt war, welche Plasma-produzierten Spezies Hsp33 aktivieren können, haben die Forschenden verschiedene Stressoren, die bekanntlich durch Plasma produziert werden, hergestellt und Hsp33 einzeln damit behandelt. „Auf diese Weise zeigte sich, dass Hsp33 durch Superoxid, singulären Sauerstoff und atomaren Sauerstoff aktiviert wird, jedoch nicht auf Hydroxyl-Radikale und Peroxynitrit reagiert“, so Tim Dirks. Dies lässt Rückschlüsse auf die Interaktion dieser Spezies mit den bakteriellen Zellen zu. Superoxid zum Beispiel ist eine der ersten Spezies, die bei oxidativem Stress im Körper generiert wird, etwa durch unser Immunsystem in Makrophagen. Eine schnelle Reaktion von Hsp33 auf eine dieser früh generierten Spezies wäre somit für das Bakterium von Vorteil für den schnellen Schutz gegen den oxidativen Stress. „Superoxid scheint hier als Signalmolekül für das Bakterium zu agieren, was weiteren oxidativen Stress signalisiert“, so das Forschungsteam.

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1316, des Graduiertenkollegs 2341 und des Projekts BA 4193/7-1.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Julia Bandow
Angewandte Mikrobiologie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: + 49 234 32 23102
E-Mail: julia.bandow@ruhr-uni-bochum.de


Originalpublikation:

Tim Dirks, Marco Krewing, Katharina Vogel, Julia E. Bandow: The Cold Atmospheric Pressure Plasma-generated Species Superoxide, Singlet Oxygen and Atomic Oxygen Activate the Molecular Chaperone Hsp33, in: Journal of the Royal Society Interface, 2023, DOI: 10.1098/rsif.2023.0300, https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rsif.2023.0300


Bilder

Plasmazündung der verwendeten Plasmaquelle: Sichtbar ist das Plasma hier in einer sogenannten filamentösen Entladung in Form kleiner lila Blitze.

Plasmazündung der verwendeten Plasmaquelle: Sichtbar ist das Plasma hier in einer sogenannten filam

© RUB, Marquard

Tim Dirks arbeitet am Lehrstuhl für Angewandte Mikrobiologie der Ruhr-Universität Bochum.

Tim Dirks arbeitet am Lehrstuhl für Angewandte Mikrobiologie der Ruhr-Universität Bochum.

© RUB, Marquard


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW