Achillesferse von Tumorzellen gefunden



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05.11.2019 08:41

Achillesferse von Tumorzellen gefunden

Bei fast allen Fällen von Darmkrebs ist ein ganz bestimmtes Gen mutiert – das bietet Chancen, um breit wirksame Therapieansätze zu entwickeln. Würzburger Forschungsteams sind hier einen Schritt weitergekommen.

Bei 90 Prozent aller Fälle von Dickdarmkrebs haben die Tumorzellen eine Gemeinsamkeit: Das APC-Gen ist mutiert. In genau diesen Zellen suchten Forschungsgruppen der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg nach Angriffspunkten, über die man die Krebszellen zerstören könnte.

„Wir wollten Gene finden, die nur für das Überleben von Zellen mit APC-Mutation wichtig sind, nicht aber für gesunde Zellen“, erklärt Dr. Armin Wiegering, Leiter einer Nachwuchsgruppe am Biozentrum der JMU und Oberarzt in der Chirurgie des Würzburger Universitätsklinikums.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen hatte Erfolg. Das berichten die Forschungsteams jetzt im Fachjournal Nature Cell Biology: Hemmten sie das Gen mit dem Namen eIF2B5, dann starben die mutierten Darmkrebszellen den sogenannten programmierten Zelltod – das ist ein Selbstzerstörungsprogramm, mit dem der Organismus im Normalfall beschädigte oder gealterte Zellen entsorgt. Gesunde Zellen dagegen verkrafteten die Hemmung des Gens ohne jegliche Beeinträchtigung.

Möglicher Angriffspunkt für die Behandlung

„Damit haben wir eine sehr spezifische Achillesferse von APC-mutierten Tumoren identifiziert“, sagt Professor Martin Eilers, Krebsforscher am Biozentrum. Man kenne nun eine Stelle, an der neu zu entwickelnde Antitumor-Medikamente möglicherweise sehr gezielt wirken können.

Die Wirksamkeit einer elF2B5-Hemmung zeigte sich zum einen im Tierversuch. Wenn das Gen in Mäusen nicht voll aktiv ist, bekommen sie nicht so schnell Dickdarmkrebs und überleben diesen deutlich länger, falls sie ihn doch bekommen. Zum anderen experimentierten die Forscher mit Organoiden. Das sind Miniatur-Tumore, die im Labor aus dem Krebsgewebe von Patienten herangezogen werden. Wurde hier die elF2B5-Menge reduziert, starben die Organoide ab.

Weitere Gene sollen untersucht werden

Als nächstes wollen die Forscher weitere Gene in Dickdarmkrebszellen untersuchen – denn elF2B5 ist nur eine von fünf Untereinheiten des größeren eIF2B-Genkomplexes. „Wir möchten auch die anderen Untereinheiten charakterisieren und prüfen, ob wir hier ebenfalls eine Spezifität finden“, wie Wiegering ankündigt. Anschließend soll eine Methode etabliert werden, mit der sich eIF2B5 in Krebszellen abbauen lässt. Ist man hierbei erfolgreich, könnte sich daraus vielleicht eine neue Option für Therapien ergeben.

Dickdarmkrebs

Dickdarmkrebs ist eines der drei häufigsten Tumorleiden. Rund sechs Prozent aller Menschen in Deutschland erkranken im Laufe ihres Lebens daran; etwa die Hälfte der Betroffenen stirbt an den Folgen des Tumors. Nachdem über 90 Prozent aller Dickdarmtumoren eine APC-Mutation aufweisen, könnte sich aus den Forschungen an der JMU ein sehr breiter, neuer Therapieansatz ergeben.

Förderer und Kooperationspartner

Finanziell gefördert wurden diese Arbeiten vom Interdisziplinären Zentrum für Klinische Forschung IZKF Würzburg, von der Else-Kröner-Fresenius-Stiftung, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Europäischen Union.

Am Zustandekommen der Publikation in Nature Cell Biology waren maßgeblich beteiligt: die Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantations-, Gefäß- und Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Würzburg, der Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie am Biozentrum der JMU, das Institut für Pathologie der JMU und das Beatson Institute in Glasgow, Schottland.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. Armin Wiegering, wiegering_a@ukw.de


Originalpublikation:

A MYC–GCN2–eIF2α negative feedback loop limits protein synthesis to prevent MYC-dependent apoptosis in colorectal cancer. Nature Cell Biology, 4. November 2019, DOI 10.1038/s41556-019-0408-0


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW