Altern vorprogrammiert – Gen-gesteuertes Wachstum in der Jugend lässt Blutstammzellen altern



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16.06.2022 14:31

Altern vorprogrammiert – Gen-gesteuertes Wachstum in der Jugend lässt Blutstammzellen altern

Das Blut wird zeitlebens aus Blutstammzellen immer wieder neu gebildet. Diese Zellen verlieren jedoch im Alter ihre Funktionsfähigkeit. Forschende des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) fanden nun einen Gen-Mechanismus, der für die Alterung von Blutstammzellen verantwortlich ist. Das Gen Igf2bp2 ist in der Jugend für die volle Funktion der Blutstammzellen wichtig, da es deren Wachstum und Stoffwechsel aktiviert. Wenn es aber fehlt, dann vermindert sich überraschenderweise der alternsassoziierte Funktionsverlust. Das Altern der Blutstammzellen wird durch das Gen-gesteuerte Wachstum in der Jugend offenbar bereits vorprogrammiert.

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Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Jena/Los Angeles. Ab wann beginnt man zu altern? Darüber wird in der Wissenschaft schon länger spekuliert. Setzt das Altern bereits im frühen Leben ein, oder fängt dieser Prozess bereits im Embryo an? Erste Untersuchungen an Würmern haben gezeigt, dass das Fehlen bestimmter Wachstumsgene die Entwicklung der Würmer zwar verlangsamt, das Altern jedoch hinauszögern kann. Ob dieser Zusammenhang auch bei Säugetieren besteht, war bisher unklar und wurde daher in der aktuellen Studie an Blutstammzellen von Mäusen genauer untersucht und nun in der Fachzeitschrift „Blood“ veröffentlicht.

Wachstumsfaktor Igf2bp2 kontrolliert Funktion der Blutstammzellen im Jugendlichen

Forschende des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena konnten nachweisen, dass bei Mäusen der Wachstumsfaktor Igf2bp2 die Funktion der Blutstammzellen im jungen Erwachsenenalter kontrolliert, indem er den Stoffwechsel und das Wachstum der Stammzellen aktiviert. „Danach verliert das Gen mehr und mehr an Funktion und weist im fortgeschrittenen Alter kaum noch eine Aktivität in den Stammzellen auf“, erklärt Prof. K. Lenhard Rudolph, Forschungsgruppenleiter am FLI und Professor für Molekulare Medizin an der FSU Jena. „Erstaunlicherweise zeigen Mäuse, in denen das Gen mutiert ist, im weiteren Lebensverlauf eine Verminderung des alternsassoziierten Funktionsverlusts der Blutstammzellen, obwohl im Alter das Gen gar nicht mehr aktiv ist. Das deutet darauf hin, dass die Igf2bp2-Genfunktion im frühen Leben zur Alterung der Stammzellen führt.“

Die Blutstammzellen im Knochenmark sorgen ununterbrochen dafür, dass das Blutsystem lebenslang mit neuen Zellen versorgt wird und in Stresssituationen, etwa bei Infektionen, Entzündungen oder Blutungen, sofort mit der Produktion des jeweils erforderlichen Zelltyps begonnen werden kann. Die Regulation der Blutbildung, auch Hämatopoese genannt, wird durch ein komplexes System von Stammzellen abgesichert. Die Aktivität des Stoffwechsels und der Wachstumssignale trägt entscheidend zur Entwicklung der Stammzellfunktion bei. Im Rahmen der Alterung des Organismus kann eine erhöhte Stoffwechselaktivität aber auch zur funktionellen Erschöpfung der hämatopoetischen Stammzellen führen. Ob die Stoffwechsel-aktivität und die Teilungsaktivität der Blutstammzellen bei der Entwicklung des Embryos oder im jugendlichen Alter bereits zu einer Vorprogrammierung der späteren Alterung führen, war bislang nicht bekannt und daher Gegenstand der aktuellen Studie.

Alterung von Blutstammzellen ist im Gedächtnis der Zelle vorprogrammiert

Die experimentellen Arbeiten deuten darauf hin, dass die Aktivierung von Wachstum und Stoffwechsel in jugendlichen Mäusen den späteren Funktionsverlust von Blutstammzellen vorprogrammiert und im Gedächtnis der Zelle festschreibt. Demnach trägt die durch Igf2bp2-gesteuerte Wachstums- und Stoffwechselaktivität im jungen Alter zum alternsassoziierten Funktionsverlust der Blutstammzellen im fortgeschrittenen Alter bei.

„Die Studienergebnisse zeigen, dass für die ungestörte Entwicklung unserer Stammzellen eine bestimmte Wachstums- und Stoffwechselaktivität notwendig ist. Diese beiden Prozesse brennen sich aber gleichzeitig als eine Art Gedächtnis in unsere Zellen ein und tragen dann im späteren Leben zum Funktionsverlust der Blutstammzellen bei,“ postuliert Prof. Rudolph. „Noch sind die mechanistischen Grundlagen hinter diesem Zellgedächtnis weitestgehend unbekannt. Würde es aber gelingen, dieses ausreichend gut zu verstehen, dann könnten neue Therapien zur Verbesserung der Gesundheit im Alter entwickelt werden.“

Neue Untergruppe von Blutstammzellen

Die vorliegenden Arbeiten erfolgten in Kooperation mit Prof. Adam L. MacLean und seiner Mitarbeiterin, Megan Rommelfanger, von der University of Southern California, Los Angeles, USA. Die Forschungsgruppe des Systembiologen hat sich auf die Untersuchung von Genen auf Einzelzellebene spezialisiert. Mit dieser Expertise gelang es den Wissenschaftlern, eine neue Untergruppe von Blutstammzellen zu identifizieren, die bei jungen Mäusen im Teenager-Alter eine besonders starke Aktivität von Igf2bp2-abhängigen Stoffwechsel und Wachstum aufweisen.

„Die Aktivitätsphase des Igf2bp2-Gens im jungen Alter könnte eine Art Gedächtnis in den Blutstammzellen bewirken“, spekulieren die Forschenden, „die dann später im fortgeschrittenen Alter zu Funktionsstörungen des Blutsystems beitragen“. Dr. Miaomiao Suo, die Erstautorin der Studie, denkt, dass hierbei chemische Veränderungen in der Erbinformation, also epigenetische Faktoren, von Bedeutung sein könnten. „Wir altern, weil wir wachsen. Das können wir nicht umgehen. Aber es könnte in Zukunft möglich werden, das zelluläre Gedächtnis von Stoffwechsel- und Wachstumsaktivität zu löschen, um dadurch besser zu altern,“ schlussfolgert Prof. Rudolph.

Publikation

Age-dependent effects of Igf2bp2 on gene regulation, function, and aging of hematopoietic stem cells in mice. Miaomiao Suo, Megan K. Rommelfanger, Yulin Chen, Elias Moris Amro, Bing Han, Zhiyang Chen, Karol Szafranski, Sundaram Reddy Chakkarappan, Bernhard O. Boehm, Adam L. MacLean, K. Lenhard Rudolph. Blood 2022, 139(17): 2653-65. https://doi.org/10.1182/blood.2021012197

Kontakt

Dr. Kerstin Wagner
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: 03641-656378, E-Mail: presse@leibniz-fli.de

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Hintergrundinformation

Das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena widmet sich seit 2004 der biomedizinischen Alternsforschung. Rund 350 Mitarbeiter aus ca. 40 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten Krankheiten. Näheres unter http://www.leibniz-fli.de.

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 97 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Die Leibniz-Institute unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.500 Personen, darunter 11.500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Finanzvolumen liegt bei 2 Milliarden Euro. (http://www.leibniz-gemeinschaft.de).


Originalpublikation:

Age-dependent effects of Igf2bp2 on gene regulation, function, and aging of hematopoietic stem cells in mice. Miaomiao Suo, Megan K. Rommelfanger, Yulin Chen, Elias Moris Amro, Bing Han, Zhiyang Chen, Karol Szafranski, Sundaram Reddy Chakkarappan, Bernhard O. Boehm, Adam L. MacLean, K. Lenhard Rudolph. Blood 2022, 139(17): 2653-65. https://doi.org/10.1182/blood.2021012197


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW