20.06.2019 12:56
BIH belohnt offene Daten: Wege zu einer nachvollziehbaren Wissenschaft
Die uneingeschränkte Verfügbarkeit von Originaldaten – „Open Data“ – zu wissenschaftlichen Publikationen ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Forschungsergebnisse nachvollziehbar und optimal nutzbar sind.
Die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse ist eine grundlegende Voraussetzung für den Transfer von Ergebnissen in eine wirtschaftliche oder gesellschaftliche Anwendung – dem Hauptanliegen des Berlin Institute of Health (BIH). Das BIH und das BIH QUEST Center stellen 2019 insgesamt 200.000 Euro zur Verfügung, um Wissenschaftler*innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) rückwirkend dafür zu belohnen, dass sie die Originaldaten ihrer Veröffentlichungen offenlegten.
Frei zugängliche Originaldaten erlauben, dass andere Wissenschaftler*innen überprüfen und nachvollziehen können, dass veröffentlichte Ergebnisse tatsächlich auf den erhobenen Daten begründet sind. Darüber hinaus können offene Originaldaten genutzt werden, um weitere Forschungsfragen zu beantworten. Sämtliche Daten offenzulegen, die einem veröffentlichten wissenschaftlichen Ergebnis zugrunde liegen, ist bisher allerdings nicht selbstverständlich: Im Zeitraum 2015-2017 waren bei ca. drei Prozent der Publikationen aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin bzw. bei ca. 15 Prozent der Publikationen aus dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) die Originaldaten zu den berichteten Ergebnissen uneingeschränkt zugänglich. Um diesen Anteil zu erhöhen, stellt das Berlin Institute of Health (BIH) und das BIH QUEST Center 2019 jeweils 100.000 Euro als Anreiz zur Verfügung, damit Wissenschaftler*innen von Charité und MDC die Forschungsdaten offenlegen, die zu einer Publikation gehören. Die Charité ist damit die erste medizinische Fakultät Deutschlands, die im Rahmen ihrer internen Leistungsorientierten Mittelvergabe (LOM) Open Data honoriert.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Diese Extrabelohnung soll die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen motivieren, häufiger ihre Publikationen mit Open Data zu versehen“, sagt Prof. Ulrich Dirnagl, Gründungsdirektor des BIH QUEST Center und Mit-Initiator der Open Data Incentivierung. Nicht immer ist Open Data allerdings angebracht: so dürfen Daten von Patient*innen zum Beispiel nur unter Wahrung des Datenschutzes offengelegt werden. Die manchmal aufgebrachte Befürchtung, Open Data in Publikationen könnten sich negativ auf das Anmelden von Patenten auswirken, ist aus Sicht von Ulrich Dirnagl unbegründet: „In der Regel erfolgt die Publikation der relevanten Ergebnisse erst nach der erfolgreichen Anmeldung eines Patentes. Open Data stellen aber sicher, dass nachvollzogen werden kann, dass Aussagen über beispielsweise die Wirksamkeit und Sicherheit einer neuen Maßnahme auch wirklich in den Daten begründet liegen“.
Die finanzielle Belohnung soll die Einrichtungen auch dabei unterstützen, Open Data weiter zu entwickeln. Denn in vielen Forschungsfeldern in der Biomedizin gibt es noch keine Standards zu offenen Daten. Um herauszufinden, bei welchen Publikationen die Originaldaten verfügbar sind, entwickelte das Team des BIH QUEST Center einen Algorithmus, mit dem die Mitarbeiter*innen des Centers eine große Anzahl an Publikationen automatisiert nach Open Data durchsuchen können (der Algorithmus ist unter https://github.com/quest-bih/oddpub öffentlich verfügbar).
Neben dem finanziellen Anreiz kann sich Open Data auch für die persönliche wissenschaftliche Karriere lohnen. „Nach unseren Erfahrungen werden Publikationen auch häufiger zitiert, wenn wir die Daten zur Verfügung stellen“ betont PD Dr. Robert Preißner, selbst forschender Physiologe und Leiter des Bereichs Science IT der Charité. Denn mit einer digitalen Publikationsnummer (DOI) versehen, sind die Datensätze selbst zitierbar. Wenn darüber hinaus die Daten gut aufbereitet bereitgestellt werden, können andere Wissenschaftler*innen sie in weiteren Analysen nachnutzen und die Autoren zitieren.
„Diese optimale Ausschöpfung vorhandenen Wissens hat einen hohen gesamtgesellschaftlichen Stellenwert“, betont Ulrich Dirnagl. „Das wird sich auch in zukünftigen Exzellenzinitiativen zeigen“, ist der Wissenschaftler, der selbst auf dem Gebiet der Neurologie forscht, überzeugt. „Der Anreiz des BIH zu Open Data soll die Forschenden optimal auf diese Anforderungen vorbereiten.“
Eine Weiterführung dieser Incentivierungsmaßnahme ist geplant. Mittelfristig soll Open Data als ein festes Element der LOM Forschung etabliert werden und damit dazu beitragen, die leistungsorientierte Mittelvergabe weiterzuentwickeln. Ziel der LOM Forschung ist es Anreize für eine qualitativ hochwertige Forschung zu setzen.
Weitere Informationen:
https://www.bihealth.org/de/aktuell/?L=0&tx_news_pi1%5Bnews%5D=2172&tx_n…
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
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