21.02.2020 16:00
Die Hochpräzisionsbestrahlung (Stereotaxie) auf den Weg zur personalisierten Therapie
Die moderne Hochpräzisionsbestrahlung (stereotaktische Bestrahlung) ermöglicht eine punktgenaue, hochdosierte Behandlung von Tumoren und Metastasen – kurz: sie ermöglicht mehr Wirkung bei in etwa gleichem Nebenwirkungsprofil. Bei Bedarf, beispielsweise wenn ein Tumor inoperabel ist, kann eine Dosiseskalation zu ähnlichen Therapieergebnissen wie die operative Entfernung führen. Doch auch hier kommen personalisierte Aspekte wie die Anzahl der Metastasen oder die Tumorbiologie zum Tragen: Brustkrebspatientinnen mit sogenannten triple-negativen Tumoren sprechen beispielsweise kaum auf die Hochpräzisonsbestrahlung von Hirnmetastasen an. Laut DEGRO liegt hier ein weiteres Forschungsfeld offen.
Die moderne Hochpräzisionsbestrahlung ermöglicht eine punktgenaue, hochdosierte Bestrahlung von Tumoren und Metastasen. Stereotaktische Bestrahlungsverfahren kommen bereits zur Behandlung von vereinzelten Hirnmetastasen, Lungenmetastasen oder bei lokal fortgeschrittem Leberkrebs (sogenanntes hepatozelluläres Karzinom) zum Einsatz. Die stereotaktische Bestrahlung erfolgt nach detaillierter 3D-Planung anhand von CT- und MRT-Bildern mit Berechnung des Bestrahlungsfelds. In manchen Fällen kann eine zusätzliche PET-Untersuchung sinnvoll sein. So kann sichergestellt werden, dass der Tumor mit hohen Strahlendosen behandelt wird, das umliegende gesunde Gewebe aber weitgehend geschont bleibt, auch das Gewebe, durch das die Strahlen bis zum Zielgebiet hindurchgehen. Denn erst dort entlädt sich die Strahlenenergie und entfaltet ihre Anti-Tumor-Wirkung. Man spricht bei der stereotaktischen Bestrahlung auch von „Radiochirurgie“, wenn die Abtragung (Ablation) des Tumorgewebes so gründlich und millimetergenau wie mit dem Skalpell erfolgen kann. Dies erfolgt dann oft in einer einzigen Behandlungssitzung. „Eine ablative Hochpräzisionsbestrahlung ist heute oftmals genauso effektiv wie eine Metastasen-Operation, aber nicht-invasiv und daher sicherer für die Patienten“, betonte Univ.-Prof. Dr. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO, heute auf dem Deutschen Krebskongress in Berlin.
Die Hochpräzisionsbestrahlung muss sorgfältig vorbereitet werden. Das Bestrahlungsfeld und der Einfallwinkel werden millimetergenau berechnet. Es stehen verschiedene spezielle Geräte zur Verfügung, die je nach klinischer Indikation zum Einsatz kommen können. Neben dem Gerät ist jedoch die ausgewiesene Erfahrung des Radioonkologen bei der Anwendung von hohen Strahlendosen essenziell. Der Patient wird während der Behandlung mit einer speziell auf ihn angepassten Lagerungshilfe gelagert. Es erfolgt die Bildgebung mit einem zeitaufgelösten CT, um die genaue Positionen des Tumors/der Metastasen zu erfassen. Moderne Techniken ermöglichen es auch, die Atemphasen zu erfassen und diese Bewegung auszugleichen. Die Lagerung des Patienten wird vor jeder Bestrahlung erneut mit einem CT überprüft. Bei Bestrahlung von Hirnmetastasen erfolgt eine Fixierung des Kopfes in einer speziellen Maske.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Stereotaxie ermöglicht Dosiseskalation
Das Potenzial der stereotaktischen Bestrahlung untermauerte erneut eine Anfang des Jahres publizierte retrospektive Analyse [1] von 317 Patienten mit Lungenmetastasen. Sie wurden in zwei Gruppen unterteilt (weniger als drei Metastasen, drei und mehr Metastasen). Das 1-Jahres-Gesamtüberleben betrug in der Gruppe mit weniger als drei Metastasen 74,2% und in der Gruppe mit drei oder mehr Metastasen 59,3% (2-Jahres-Gesamtüberleben: 47,7% vs. 35,1%), die Rückfallrate (Rate an neuen Metastasen in der Lunge) war reduziert – sie betrug in der Gruppe mit wenig Metastasen nach 12 Monaten 22,5%, in der anderen Gruppe 50,8% (nach zwei Jahren: 31,8% vs. 61,4%). Die Nebenwirkungsrate war akzeptabel, lediglich bei 14% aller Patienten kam es zu einer Entzündung des Lungengewebes (Pneumonitis). „Die stereotaktische Bestrahlung erwies sich insgesamt als effektiv und sicher. Die Studie zeigt auch, dass es vor allem die Patienten mit wenigen Metastasen waren, die sehr gut auf die Therapie ansprachen“, schlussfolgerte die Expertin.
Das Verfahren der Stereotaxie ermöglicht, Tumoren/Metastasen bei Bedarf mit höheren Dosen zu bestrahlen. Eine im November letzten Jahres vorab online publizierte Studie [2] hatte den Effekt einer hochdosierten vs. niedriggdosierten stereotaktischen Bestrahlung bei Lebermetastasen untersucht. Die 90 Patienten hatten entweder eine Dosis von 100 Gy oder weniger erhalten oder eine Strahlendosis über 100 Gy. Die lokale Tumorkontrollrate war in der hochdosierten Patientengruppe signifikant besser 67% vs. 94,6% nach einem Jahr (p=0,004). Auch das 1- und 2-Jahresüberleben unterschied sich deutlich zwischen den Gruppen (p=0,007). In der Hochdosisgruppe betrug es 96% und 85%, bei den mit niedriger Dosis bestrahlten Patienten 70,8% und48,1%. Die Rate an schweren Nebenwirkungen ( Grad 3 und mehr) unterschied sich hingegen nicht zwischen den Gruppen (p=0,23). „Es zeigte sich, dass eine Dosiseskalation zu einem besseren Therapieergebnis bei gleicher Verträglichkeit führte. Die Hochpräzisionsbestrahlung mit Höchstdosen stellt eine gute Therapiealternative dar, insbesondere, wenn die operative Entfernung der Metastasen nicht möglich ist“, so die Einschätzung von Prof. Combs.
Intelligente Kombination: Immuntherapie kombiniert mit Hochpräzisionsbestrahlung
Der Einsatz der Immuntherapie hat es möglich gemacht, dass viele Tumorerkrankungen geheilt oder in eine chronische Erkrankung umgewandelt werden können. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass die Wirksamkeit der Immuntherapie durch ein lokale Strahlentherapie verstärkt werden kann [3, 4]. Die stereotaktische Behandlung von Hirnmetastasen, aber auch die Behandlung von extrakraniellen Läsionen mittels Stereotaxie kann sicher mit einer Immuntherapie kombiniert werden und dann den Behandlungserfolg verstärken.
Personalisierter Einsatz der Stereotaxie bei Brustkrebspatientinnen mit Hirnmetastasen: Tumorbiologie stellt die Weichen
Die stereotaktische Hochpräzisionsbestrahlung erwies sich als effektiv bei der Behandlung von Hirnmetastasen bei Brustkrebspatientinnen. Bereits vor fünf Jahren untersuchte eine wegweisende Studie [5] das Verfahren und analysierte den Behandlungserfolg je nach Tumorbiologie (Östrogenrezeptorstatus, HER2-Status). Obwohl die Patientinnen bis zu 5 Metastasen hatten, konnte eine 2-Jahres-Überlebensrate von bis zu 50% in der Gruppe, die Östrogenrezeptor (ER)- und HER2-positiv waren, erreicht werden. Bei denen mit nur einem positiven Faktor (entweder ER+ oder HER2+) wurde eine 2-Jahresüberlebensrate von 33-46% erreicht. Lediglich die Gruppe der Patientinnen mit sogenannten triple-negativen Tumoren sprach nicht, bzw. nur sehr schlecht auf die Therapie an (2-Jahresüberleben von 6%).
„Das zeigt, dass die Tumorbiologie auch entscheidend für den Erfolg der Hochpräzisionsbestrahlung ist und hier noch ein weiteres Forschungsfeld offenliegt. Wir müssen untersuchen, welche molekularen Faktoren einen Tumor strahlenresistent machen – und wo selbst der Einsatz der
Hochpräzisionsbestrahlung mit Höchstdosen wenig bringt. Wichtig ist eine hohe Expertise und Erfahrung des Behandlers. Kombinationstherapien sollten in der Hand von spezialisierten Zentren bleiben, um ein sichere Anwendung zu ermöglichen. Wissenschaftliche Evaluationen sind essenziell; wir müssen Patienten, die gut ansprechen, anhand der Tumormerkmale charakterisieren und bei ihnen Vergleichsstudien zwischen der stereotaktischen Bestrahlung und der operativen Entfernung von Metastasen und Tumoren durchführen“, erklärte die Expertin abschließend.
Literatur
[1] Pasalic D, Lu Y, Betancourt-Cuellar SL et al. Stereotactic ablative radiation therapy for pulmonary metastases: Improving overall survival and identifying subgroups at high risk of local failure. Radiother Oncol. 2020 Feb 7;145:178-185. doi: 10.1016/j.radonc.2020.01.010. [Epub ahead of print]
[2] Kok END, Jansen EPM, Heeres BC et al. High versus low dose Stereotactic Body Radiation Therapy for hepatic metastases. Clin Transl Radiat Oncol. 2019 Nov 27;20:45-50. doi: 10.1016/j.ctro.2019.11.004.
[3] Eric J Lehrer , Heather M McGee , Jason P Sheehan et al. Integration of Immuno-Oncology With Stereotactic Radiosurgery in the Management of Brain Metastases. J Immunother Cancer. 2020 Feb 12 [Online ahead of print] doi: 10.1007/s11060-020-03427-6.
[4] Dawei Chen, Hari Menon , Vivek Verma et al. Response and Outcomes After anti-CTLA4 Versus anti-PD1 Combined With Stereotactic Body Radiation Therapy for Metastatic Non-Small Cell Lung Cancer: Retrospective Analysis of Two Single-Institution Prospective Trials, J Immunother Cancer. 2020 Jan; 8(1). pii: e000492. doi: 10.1136/jitc-2019-000492.
[5] Cho E, Rubinstein L, Stevenson P et al. The use of stereotactic radiosurgery for brain metastases from breast cancer: who benefits most? Breast Cancer Res Treat. 2015 Feb;149(3):743-9. doi: 10.1007/s10549-014-3242-x. Epub 2015 Feb 1.
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