08.10.2019 14:51
DSG: „Time is Brain“ gilt auch für Kinder und Jugendliche
Ein Schlaganfall kann nicht nur Erwachsene treffen – jährlich kommt es auch bei zwei bis acht von 100 000 Kindern pro Jahr zum plötzlichen und hochgefährlichen Verschluss einer Gehirnarterie. Gerade in dieser sensiblen Altersgruppe vergeht jedoch oft wertvolle Zeit, bis ein Schlaganfall richtig diagnostiziert und behandelt wird. Welche Gründe das hat und wie sich die Versorgung kindlicher Schlaganfall-Patienten verbessern lässt, war ein Thema auf der heutigen Pressekonferenz der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) anlässlich des Weltschlaganfalltags am 29. Oktober.
„Während die Behandlung erwachsener Schlaganfall-Patienten in Deutschland einem ausgefeilten Protokoll folgt und auf eine schnellstmögliche Versorgung ausgerichtet ist, dauert es bei Kindern noch immer durchschnittlich 23 Stunden, bis überhaupt die Diagnose gestellt wird“, sagt Dr. med. Lucia Gerstl, Leiterin des Deutschen Netzwerks Pediatric Stroke und Sprecherin der Initiative Pediatric Stroke – ipeds am Klinikum der LMU München, die das Thema auf der Pressekonferenz vorstellen wird. Dabei gelte die Devise „Time is Brain“ bei Kindern genauso wie beim Erwachsenen – je schneller die Behandlung einsetze, desto geringer ist das Ausmaß der bleibenden Schäden. Bei Erwachsenen wird eine Wiedereröffnung des blockierten Gefäßes binnen 90 Minuten angestrebt.
Die Folgen der schleppenden Behandlung bei Kindern können gravierend sein. „Nur rund jedes dritte Kind erholt sich nach einem Schlaganfall vollständig, bei einem Großteil kommt es zu langfristigen neurologischen Beeinträchtigungen wie einer Halbseitenlähmung oder einer Epilepsie“, erklärt Gerstl. „Oft wird allein aufgrund des jugendlichen Alters nicht sofort an einen Schlaganfall gedacht“, ergänzt Professor Dr. med. Armin Grau, Direktor der Neurologischen Klinik am Klinikum der Stadt Ludwigshafen und 1. Vorsitzender der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Zudem gebe es bei Kindern mehr mögliche andere Ursachen für die beobachteten Symptome.
In einer Studie, für die Lucia Gerstl gemeinsam mit Kollegen kindliche und jugendliche Schlaganfall-Patienten untersuchte, zeigte sich, dass die überwiegende Mehrzahl (91 Prozent) der Kinder als erste Anzeichen fokale Ausfallerscheinungen wie eine Halbseitenlähmung, Gesichtslähmungen oder plötzlich auftretende Sprachstörungen entwickelten. Lucia Gerstl und ihr Team haben daraus die griffige „beFAST“-Pocketcard für jede Kitteltasche gemacht (Anlage). „FAST-Symptome sollten daher auch bei Kindern immer an einen Schlaganfall denken lassen und Anlass für eine sofortige bildgebende Untersuchung sein“, betont Gerstl – auch dann, wenn gleichzeitig eher unspezifische Beschwerden wie Übelkeit oder Kopfschmerzen oder aber auch Krampfanfälle auftreten. Zudem traten bei einem Teil der Kinder die Symptome nicht schlagartig auf, sondern zeigten einen „stotternden“ oder progredienten Verlauf. Auch das dürfe keinesfalls dazu verleiten, die Diagnose Schlaganfall auszuschließen, mahnt Gerstl.
Um die Versorgung zu verbessern, wird derzeit unter Federführung von Lucia Gerstl (München) und Maja Steinlin (Bern, CH) zusammen mit Mitgliedern des Deutschen Netzwerks Pediatric Stroke und weiteren Experten aus Neurologie und Bildgebung eine S3-Leitlinie zu Diagnostik und Therapie des kindlichen Schlaganfalls erarbeitet sowie ein bundesweites Kinderschlaganfall-Register aufgebaut. Das Netzwerk setzt sich außerdem dafür ein, die Kinderneurologie als Notfalldisziplin zu etablieren sowie interdisziplinäre Strukturen zur Akut- und Langzeitversorgung zu schaffen, auch unter Einsatz von Telemedizin. „Das oberste Ziel muss es sein, die Zeit bis zu Diagnose und Therapiebeginn zu verringern, damit auch der Einsatz von Lysetherapie und mechanischer Thrombektomie grundsätzlich möglich ist. In der Postakutphase ist die Verringerung der hohen Rezidivrate von im Mittel rund 30 Prozent bei Kindern eine unserer Prioritäten“, sagt Gerstl.
Eine zentrale Rolle spielt hierbei auch die Ursachenforschung: In ihrer Studie wiesen 40 Prozent der betroffenen Kinder mindestens zwei der bekannten Risikofaktoren für einen Schlaganfall im Kindesalter auf. Dazu zählen etwa Blutgerinnungsstörungen, Herzerkrankungen, Veränderungen der Hirngefäße (zum Beispiel durch Entzündung), schwere Infektionen, Stoffwechselstörungen oder genetische Ursachen. Diesen Risikofaktoren mehr Beachtung zu schenken, könnte den Weg zu einer schnelleren Diagnose, in manchen Fällen auch zu präventiven Maßnahmen und zur Vermeidung weiterer Schlaganfälle ebnen.
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Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Literatur:
Gerstl L, et al. Arterial ischemic stroke in infants, children, and adolescents: results of a Germany-wide surveillance study 2015-2017. J Neurol 2019; Aug 23. doi: 10.1007/s00415-019-09508-5.
Gerstl L, et al. Symptom patterns in childhood arterial ischemic stroke: Analysis of a population-based study in Germany. Klin Padiatr 2018; 230(6): 319-325, DOI https://doi.org/10.1055/a-0684-9794.
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