Teilen:
29.11.2022 21:00
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Ein neues Mikroskop beleuchtet die Funktionsweise von Nervenzellen tief im Gehirn bei sich frei verhaltenden Mäusen
Wie finden wir heraus, was in Nervenzellen tief im Gehirn vor sich geht, während ein Tier aktiv ist? Forschende des MPINB haben ein Miniatur-Mikroskop entwickelt, das Mäuse auf dem Kopf tragen können, während sie sich uneingeschränkt bewegen. Das nur 2 Gramm schwere ferngesteuerte Mikroskop kann die neuronale Aktivität in allen Schichten der Großhirnrinde messen, selbst in tiefliegenden, ohne dass das Tier während der Versuche gestört wird. Anders als alle vergleichbaren Modelle funktioniert es auch bei Helligkeit und ermöglicht daher die Untersuchung des gesamten Verhaltensspektrums. Das neue Mikroskop ist ein Meilenstein für die Erforschung, wie das Gehirn komplexes Verhalten steuert.
Wie genau entsteht eigentlich Verhalten? Um dies wirklich herauszufinden, müssen wir Tiere untersuchen, die sich frei bewegen und selbst entscheiden, wie sie mit ihrer Umwelt interagieren. Mittels kleiner, kopfgetragener Apparaturen gelingt es, die Gehirnaktivität aufzuzeichnen, ohne dabei das Verhalten des Tieres zu beeinträchtigen. „Wir wollen herausfinden, wie Tiere ihren Sehsinn nutzen, um Entscheidungen zu treffen. Viele der Nervenzellen, die vermutlich in diese Prozesse involviert sind, liegen tief im sogenannten visuellen Cortex, einem Teil der Großhirnrinde. Um diese Nervenzellen zu erreichen, haben wir ein extrem leichtes, kopfgetragenes Mikroskop entwickelt. Mit diesem gelingt es uns, die Aktivität der betreffenden Nervenzellen zu messen, ohne das Tier dabei in seinem Verhalten zu stören. Dies ist ein enormer Schritt, um die Gehirnaktivität tief in der Großhirnrinde zu analysieren, während das Tier natürliches, visuell gesteuertes Verhalten zeigt.“ sagt Prof. Dr. Jason Kerr, Leiter der Abteilung Organisation des Gehirns und Verhaltens am Max-Planck-Institut für Neurobiologie des Verhaltens – caesar (MPINB) in Bonn.
In der am 28. November im renommierten Fachjournal Nature Methods veröffentlichten Studie präsentieren die Forschenden des MPINB ihr neues Drei-Photonen-Miniaturmikroskop, welches eine Reihe von Innovationen bietet. Erstmalig ist es nun möglich, neuronale Aktivität in Einzelzellauflösung in allen Schichten der Großhirnrinde zu erfassen. Da das Fokussieren ferngesteuert erfolgt, wird das Tier während der Messungen nicht in seinem Verhalten beeinträchtigt. Das modulare Design des Mikroskops bietet zudem eine Einstellung für funktionelle, hochaufgelöste Bildgebung von neuronalen Zellkörpern bis hin zu den Ausläufern, den Dendriten. Aufgrund eines modifizierten Detektorsystems kann das Mikroskop auch in beleuchteter Umgebung verwendet werden. „Wir können die Gehirnaktivität nun auch in einer hell erleuchteten Versuchsarena messen. So kann das Tier all seine Sinne nutzen und wir können visuell gesteuertes Verhalten wie Beutefang oder Fluchtverhalten untersuchen“ sagt Alexandr Klioutchnikov, Erstautor der Studie.
Um Messbereich und Stabilität des neuen Drei-Photonen-Miniaturmikroskops zu prüfen, haben die Forschenden Messungen in den tiefen Schichten 4 und 6 der Großhirnrinde durchgeführt, während die Versuchstiere ihre Arena frei erkundeten. Das Forscherteam konnte zeigen, dass die Nervenzellen in beiden Schichten unterschiedlich moduliert werden, je nachdem wie hell oder dunkel die Umgebung war.
Ein weiterer Vorteil des neuen Mikroskops ist, dass es einfach entfernt und wieder an exakt der gleichen Stelle aufgesetzt werden kann. Dadurch ist es möglich, genau dieselben Gruppen von Nervenzellen erneut zu untersuchen, auch mit mehreren Tagen Abstand zwischen den Messungen. Dies eröffnet die Möglichkeit, Veränderungen in der Gehirnaktivität zu analysieren, beispielsweise wenn ein Tier lernt.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jason N.D. Kerr, jason.kerr@mpinb.mpg.de
Originalpublikation:
https://www.nature.com/articles/s41592-022-01688-9
Weitere Informationen:
Bilder
Illustration zur Nature Methods Publikation “A three-photon head-mounted microscope for imaging all …
Julia Kuhl
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin, Physik / Astronomie, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch