Evolution: Biolehrkräfte erkennen falsche Vorstellungen oft nicht



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04.02.2022 11:18

Evolution: Biolehrkräfte erkennen falsche Vorstellungen oft nicht

Zufällige Veränderungen, die einen Überlebensvorteil bedeuten – das Prinzip der Evolution steht nicht in Einklang mit unserer Intuition und unseren Erfahrungen. Lehrkräfte im Biologieunterricht sehen sich deswegen oft mit falschen Vorstellungen bei Schülerinnen und Schülern konfrontiert. Nur rund die Hälfte von ihnen erkennt sie richtig und kann gezielt gegensteuern. Das hat eine Umfrage unter 182 angehenden und praktizierenden Lehrkräften ergeben, die Tim Hartelt während seiner Masterarbeit bei Dr. Nina Minkley durchgeführt hat.

Die Forschenden aus der Arbeitsgruppe Verhaltensbiologie und Didaktik der Biologie der Ruhr-Universität Bochum plädieren für spezielle Trainings für Lehrerinnen und Lehrer. Die Studie ist am 3. Februar 2022 in der Zeitschrift „Science Education“ erschienen.

Von Zielgerichtetheit bis Vermenschlichung

„Geparden sind immer schneller geworden, weil sie gemerkt haben, dass es notwendig ist“ – bei dieser Aussage sollten Lehrerinnen und Lehrer hellhörig werden, wenn es um die Vermittlung der Prinzipien der Evolution geht. Viele Schülerinnen und Schüler bringen unzutreffende Vorstellungen mit. Sie verkennen das Prinzip von zufälligen Variationen, die einen Überlebensvorteil darstellen, und unterstellen stattdessen eine Zielrichtung evolutionärer Prozesse, unveränderliche Wesenszüge einer Art, die Vererbung nützlicher Eigenschaften oder vermenschlichen die Organismen, indem sie ein bewusstes Agieren annehmen. „Im Alltag sind solche Konzepte mitunter hilfreich, aber wissenschaftlich sind sie unzutreffend“, so Nina Minkley. „Lehrkräfte müssen sie im Biologieunterricht erkennen und gezielt gegensteuern, denn sie stehen dem fachlich korrekten Verständnis des Unterrichtsinhalts sonst im Weg.“

Um herauszufinden, wie gut Biologielehrerinnen und -lehrer darin sind, solche falschen Auffassungen zu identifizieren und zu adressieren, führte Tim Hartelt im Frühjahr 2020 eine Onlineumfrage durch. 182 Lehramtsstudierende, angehende Lehrkräfte im Referendariat und Lehrerinnen und Lehrer im Beruf nahmen daran teil. Sie wurden mit Aussagen von Schülerinnen und Schülern zur Evolution konfrontiert und sollten angeben, ob sie diesen Aussagen zustimmen oder nicht. Falls nicht, sollten sie auch angeben, welches wissenschaftlich falsche Konzept der Aussage zugrunde lag und wie sie damit umgehen würden.

Lehrerfahrung hilft

„In der Studie haben wir nachweisen können, dass die Fähigkeit, falsche Vorstellungen zu diagnostizieren und angemessen damit umzugehen, je nach Ausbildungsstand unterschiedlich gut ausgeprägt ist“, berichtet Nina Minkley. Teilnehmende ohne Lehrerfahrung in dem Thema erkannten rund die Hälfte der falschen Konzepte korrekt. Erfahrene Lehrkräfte erkannten rund 60 Prozent, was dafür spricht, dass Erfahrung dabei hilft, diese komplexe Aufgabe zu meistern. „Überrascht hat uns, dass viele der Teilnehmenden die falschen Vorstellungen gar nicht erkennen“, so Nina Minkley. „Zudem würden weniger als die Hälfte aus lerntheoretischer Sicht sinnvoll auf die falschen Vorstellungen reagieren, was zur Verfestigung der falschen Vorstellungen oder gar zu neuen Fehlvorstellungen führen kann.“

Die Forschenden plädieren aufgrund der Ergebnisse dafür, Lehrkräften durch ein spezielles Training zu helfen, angemessen auf inkorrekte Vorstellungen bei Schülerinnen und Schülern einzugehen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Nina Minkley
Arbeitsgruppe Verhaltensbiologie und Didaktik der Biologie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 29020
E-Mail: nina.minkley@rub.de


Originalpublikation:

Tim Hartelt, Helge Martens (Gresch), Nina Minkley: Teachers’ ability to diagnose and deal with alternative student conceptions of evolution, in: Science Education, 2022, DOI: 10.1002/sce.21705


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Pädagogik / Bildung
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW