Geheime Struktur im Schaltplan des Gehirns



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14.10.2022 08:41

Geheime Struktur im Schaltplan des Gehirns

Forschende entdecken eine verborgene Ordnung in scheinbar zufälligen Verbindungen zwischen Nervenzellen

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Im Gehirn entsteht unsere Wahrnehmung durch ein komplexes Zusammenspiel von Nervenzellen, die über Synapsen miteinander verbunden sind. Doch kann die Anzahl und Stärke der Verbindungen zwischen bestimmten Neuronen-Typen variieren. Forschende der Uniklinika Bonn, Mainz und München sowie dem Max-Planck-Institut für Hirnforschung haben im Rahmen des DFG-geförderten Schwerpunktprogramms „Computational Connectomics“ (SPP2041) herausgefunden, dass die Struktur der scheinbar unregelmäßigen neuronalen Verbindungsstärken eine verborgene Ordnung enthält.

Bonn, 14. Oktober 2022 – Im Gehirn entsteht unsere Wahrnehmung durch ein komplexes Zusammenspiel von Nervenzellen, die über Synapsen miteinander verbunden sind. Doch kann die Anzahl und Stärke der Verbindungen zwischen bestimmten Neuronen-Typen variieren. Forschende des Universitätsklinikums Bonn (UKB), der Universitätsmedizin Mainz und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) haben nun zusammen mit einem Forschungsteam vom Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt im Rahmen des DFG-geförderten Schwerpunktprogramms „Computational Connectomics“ (SPP2041) herausgefunden, dass die Struktur der scheinbar unregelmäßigen neuronalen Verbindungsstärken eine verborgene Ordnung enthält. Dies ist essentiell für die Stabilität des neuronalen Netzwerkes. Die Studie ist jetzt im Fachmagazin „PNAS“ erschienen.

Vor zehn Jahren wurde die Konnektomik, also die Erstellung einer Karte der Verbindungen zwischen den circa 86 Milliarden Nervenzellen im Gehirn, als ein zukünftiger Meilenstein der Wissenschaft erklärt. Denn in komplexen neuronalen Netzwerken sind die Neurone durch Tausende von Synapsen miteinander verbunden. Dabei ist die Verbindungsstärke zwischen den einzelnen Neuronen wichtig, da sie für das Lernen und die kognitive Leistung entscheidend ist. „Jede Synapse ist jedoch einzigartig und ihre Stärke kann im Laufe der Zeit schwanken. Selbst bei Experimenten, bei denen derselbe Synapsen-Typ in derselben Hirnregion gemessen wurde, ergaben sich unterschiedliche Werte für die synaptische Stärke. Diese experimentell festgestellte Variabilität macht es jedoch schwierig, allgemeine Prinzipien zu finden, die der robusten Funktion neuronaler Netzwerke zugrunde liegen“, erklärt Prof. Dr. Tatjana Tchumatchenko, Forschungsgruppenleiterin am Institut für Experimentelle Epileptologie und Kognitionsforschung des UKB sowie am Institut für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz, die Motivation die Studie durchzuführen.

Mathematik und Labor zielführend kombiniert

Im primären visuellen Kortex (V1) werden die vom Auge über den Thalamus, einer Schaltstelle für Sinneseindrücke im Zwischenhirn, weitergeleiteten visuellen Reize erst einmal aufgenommen. Die dabei aktiven Verbindungen zwischen den Neuronen schauten sich die Forschenden im Rahmen der Studie genauer an. Die Forschenden haben dazu experimentell die gemeinsame Antwort von zwei Neuronenklassen auf verschiedene visuelle Reize im Maus-Modell gemessen. Gleichzeitig nutzten sie die Möglichkeit, mit mathematischen Modellen die Stärke synaptischer Verbindungen vorhersagen zu können. Zur Erklärung ihrer im Labor aufgezeichneten Aktivitäten solcher Netzwerkverbindungen im primären visuellen Kortex verwendeten sie das so genannte „Stabilisierte Supralineare Netzwerk“ (SSN). „Es ist eines der wenigen nichtlinearen mathematischen Modelle, das die einzigartige Möglichkeit bietet, theoretisch simulierte Aktivität mit der tatsächlich beobachteten zu vergleichen“, sagt Prof. Dr. Laura Busse, Forschungsgruppenleiterin an der Neurobiologie des LMU. „Wir konnten zeigen, dass die Kombination von SSN mit experimenteller Aufzeichnungen visueller Reaktionen im Thalamus und Kortex der Maus die Bestimmung verschiedener Sätze von Verbindungsstärken ermöglicht, die zu den aufgezeichneten visuellen Reaktionen im visuellen Kortex führen.“

Reihenfolge zwischen den Verbindungsstärken ist der Schlüssel

Die Forschenden fanden heraus, dass sich hinter der beobachteten Variabilität der Synapsenstärke eine Ordnung verbirgt. So waren zum Beispiel die Verbindungen von erregenden zu hemmenden Neuronen immer die stärksten, während die umgekehrten Verbindungen im visuellen Kortex schwächer ausfielen. Die absoluten Werte der synaptischen Stärken variierten in der Modellierung – wie schon in den früheren experimentellen Studien – behielten aber trotzdem immer eine gewisse Reihenfolge bei. Die relativen Verhältnisse sind also entscheidend für den Verlauf und die Stärke der gemessenen Aktivität und nicht die absoluten Werte. “Es ist bemerkenswert, dass die Analyse früherer direkter Messungen der synaptischen Verbindungen die gleiche Reihenfolge der synaptischen Stärken ergab wie unsere Modell-Vorhersage, die allein auf gemessenen neuronalen Antworten beruht”, sagt Dr. Simon Renner von der Neurobiologie der LMU, dessen experimentelle Aufzeichnungen der kortikalen und thalamischen Aktivität eine Charakterisierung der Verbindungen zwischen den kortikalen Neuronen ermöglichten. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die neuronale Aktivität viele Informationen über die zugrundeliegende Struktur neuronaler Netzwerke enthält, die sich aus direkten Messungen der Synapsenstärken nicht unmittelbar erschließen. Damit eröffnet unsere Methode eine vielversprechende Perspektive für die Untersuchung von Netzwerkstrukturen, die experimentell nur schwer zugänglich sind”, erklärt Dr. Nataliya Kraynyukova vom Institut für Experimentelle Epileptologie und Kognitionsforschung des UKB sowie Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt. Diese Studie ist das Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen dem Labor von Prof. Busse und Prof. Tchumatchenko, die eng zusammengearbeitet haben und dabei auf dem rechnerischen und experimentellen Fachwissen ihrer Labore aufgebaut haben.

Pressekontakt:
Dr. Inka Väth
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Zum Universitätsklinikum Bonn:
Im UKB werden pro Jahr etwa 500.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Frauen und Männer in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, weist den dritthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf und hatte in den Corona- Jahren 2020 und 2021 als einziges der 35 deutschen Universitätsklinika einen Leistungszuwachs

Zur Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU):
Die LMU ist eine der führenden Universitäten in Europa mit einer über 500-jährigen Tradition. Sie bietet ein breites Spektrum aller Wissensgebiete – die ideale Basis für hervorragende Forschung und ein anspruchsvolles Lehrangebot. Es reicht von den Geistes- und Kultur- über Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bis hin zur Medizin und den Naturwissenschaften. 18 Prozent der 50.000 Studierenden kommen aus dem Ausland – aus insgesamt 130 Nationen. Das Know-how und die Kreativität der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bilden die Grundlage für die herausragende Forschungsbilanz der Universität. Der Erfolg der LMU in allen drei Phasen des Exzellenz-Wettbewerbs und die dauerhafte Förderung als „Exzellenzuniversität“ dokumentieren eindrucksvoll die Forschungsstärke der Münchener Universität.

Über die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist die einzige medizinische Einrichtung der Supramaximalversorgung in Rheinland-Pfalz und ein international anerkannter Wissenschaftsstandort. Sie umfasst mehr als 60 Kliniken, Institute und Abteilungen, die fächerübergreifend zusammenarbeiten und jährlich mehr als 320.000 Menschen stationär und ambulant versorgen. Hochspezialisierte Patientenversorgung, Forschung und Lehre bilden in der Universitätsmedizin Mainz eine untrennbare Einheit. Mehr als 3.500 Studierende der Medizin und Zahnmedizin sowie rund 700 Fachkräfte in den verschiedensten Gesundheitsfachberufen, kaufmännischen und technischen Berufen werden hier ausgebildet. Mit rund 8.700 Mitarbeitenden ist die Universitätsmedizin Mainz zudem einer der größten Arbeitgeber der Region und ein wichtiger Wachstums- und Innovationsmotor. Weitere Informationen im Internet unter www.unimedizin-mainz.de.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Tatjana Tchumatchenko
Institut für Physiologische Chemie, AG Computational Neuroscience
Universitätsmedizin Mainz
& Gruppenleiterin am Institut für Experimentelle Epileptologie und Kognitionsforschung am Universitätsklinikum Bonn (UKB)

Prof. Dr. Laura Busse
Fakultät für Biologie
Ludwig-Maximilians-Universität München


Originalpublikation:

Nataliya Kraynyukova*, Simon Renner*, Gregory Born, Yannik Bauer, Martin Spacek, Georgi Tushev, Laura Busse**, and Tatjana Tchumatchenko** [* shared first author; ** shared senior author]: In vivo extracellular recordings of thalamic and cortical visual responses reveal V1 connectivity rules;
PNAS: https://doi.org/10.1073/pnas.2207032119


Bilder

Nervenzellen im visuellen System der Maus: Grün: genetisch markierte, hemmende Nervenzellen.

Nervenzellen im visuellen System der Maus: Grün: genetisch markierte, hemmende Nervenzellen.

UKB & LMU / Dr. Nataliya Kraynyukova; Dr. Simon Renner


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW