22.02.2022 08:36
Glukosekonzentration messen ohne Enzyme: Sensor aus neuartigem Material bietet Alternative für Blutzucker-Messung
Ein interdisziplinäres Forschendenteam der TU Bergakademie Freiberg hat aus einem bio-basierten Werkstoff ein neuartiges Sensormaterial entwickelt, welches eine enzymfreie Messung der Glukosekonzentration im Blut ermöglichen könnte.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Wer mit Diabetes lebt, kommt ohne sie nicht aus – die Teststreifen für die Messung des Blutzuckerspiegels. Sie enthalten Enzyme, die mit der Glukose im Blut reagieren. „Einmal angewendet, funktioniert die herkömmliche photometrische oder elektrochemische Messung mit Hilfe der Enzyme nicht mehr und der Teststreifen wird entsorgt“, erklärt Prof. Yvonne Joseph von der TU Bergakademie Freiberg. „Enzyme sind Proteine, die biochemische Reaktionen auslösen. Als Eiweiße sind sie allerdings nicht temperaturstabil“, so die Professorin für Elektronik- und Sensormaterialien weiter.
Gemeinsam mit ihrem Team hat sie sich auf die Suche nach einem alternativen Sensormaterial begeben. Fündig geworden ist Prof. Yvonne Joseph im Labor ihres Kollegen, Prof. Hermann Ehrlich. Der Experte für Biomimetik entwickelt schon seit mehreren Jahren neuartige bio-basierte Werkstoffe mit Potenzial für die Sensorik. Ein mit dem Mineral Atacamit versehener Badeschwamm kam für die Glukose-Messung in Frage. „Die einzigartige Struktur des mikroporösen 3D-Schwammgerüsts fördert effizient die Aktivität von Atacamit als Elektrokatalysator. Daher können Glukosemoleküle schnell und einfach in das poröse 3D-Netzwerk diffundieren, was die Elektronenübertragung zwischen Glukose und Atacamit erleichtert und zu den leistungsstarken Eigenschaften des Glukosesensors führt,“ erklärt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Parvaneh Rahimi.
Sie zerkleinerte das Sensormaterial aus dem Schwamm und versetzte es mit Kohlenstoff als elektrischem Leitmaterial und Paraffin-Öl als Binder. Dann brachte sie die homogene Paste auf einen Teflonhalter auf, der als Elektrodenkörper diente. Tauchte Dr. Parvaneh Rahimi die Elektrode mit dem neuartigen Funktionsmaterial nun in eine Glukoselösung, diffundierten die Zuckermoleküle in den porösen beschichteten Schwamm. An dessen Oberfläche reagierten sie und gaben Elektronen ab, was zu einem messbaren Stromfluss führte.
Potenzial für enzymfreie und wiederverwendbare Teststreifen für Diabetesmanagement
Die Forschenden testeten die neuartige Messmethode in zwei Schritten; mit einer glukose-haltigen Lösung sowie mit drei verschiedenen Blutproben anonymer Spenderinnen und Spender aus einer Freiberger Arztpraxis. „Beide Tests erwiesen sich als langzeitstabil. Das heißt, sie ergaben über den Zeitraum von einem Monat dasselbe Messergebnis. Als Sensor wäre das Material also wiederverwendbar“, sagt Prof. Yvonne Joseph. Bis zu einer möglichen Anwendung in Teststreifen für Diabetesmanagement müsste das neuartige Sensormaterial weitere Tests sowie klinisch-pharmakologische Studien durchlaufen.
Hintergrund: Sensormaterialien aus gezüchteten Schwämmen
Aus einem gezüchteten marinen Schwamm entwickelten die Forschenden der TU Bergakademie Freiberg den Werkstoff Sponging-Atacamit (https://tu-freiberg.de/presse/filtern-statt-duschen-forschende-entwickeln-neuen-…). Reagieren die Fasern des Badeschwamms mit einer kupferhaltigen Ammoniaklösung entsteht das Mineral Atacamit. Dieses Mineral, das in der Natur nur sehr selten vorkommt, heftet sich so stark an die Schwammfasern, dass ein robustes Material entsteht.
Für die Erforschung des neuartigen Werkstoffs aus in Tunesien gezüchteten Schwämmen wurden keine Experimente an lebenden Organismen durchgeführt. Bei Zucht und Ankauf der verwendeten Schwämme wurden alle Vorgaben des Nagoya-Protokolls für den Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechten Vorteilsausgleich eingehalten.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. rer. nat. Yvonne Joseph, yvonne.joseph@esm.tu-freiberg.de
Originalpublikation:
Sedigheh Falahi, Alaa Jaafar, Iaroslav Petrenko, Mashaalah Zarejousheghani, Hermann Ehrlich, Parvaneh Rahimi, and Yvonne Joseph. High-Performance Three-Dimensional Spongin−Atacamite Biocomposite for Electrochemical Nonenzymatic Glucose Sensing. Applied Bio Materials, 2022. https://doi.org/10.1021/acsabm.1c01248
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter
Medizin, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse
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