19.12.2019 10:03
Haut- und Schleimhautreaktionen als Komplikation der Lungenentzündung
Erkranken Kinder an einer Lungenentzündung, kann es zu schmerzhaften Entzündungen der Haut- und der Schleimhaut kommen. Ein Forschungsteam am Universitäts-Kinderspital Zü-rich hat nun einen Bluttest entwickelt, der solche bakteriellen Infektionen frühzeitig erkennt. So kann auch schneller mit der Therapie begonnen werden.
Rasant absterbende Schleimhautzellen im Bereich des Mundes, der Augen und der Genitalien, Bläschen und Blasen auf der Haut: Solche Symptome treten bei Medikamenten-Allergien oder bei Infektionen auf. Letztere werden oft durch das Bakterium Mycoplasma pneumoniae (Myko-plasmen) ausgelöst, das im Kindesalter häufig Lungenentzündungen verursacht. Mykoplasmen können aber auch ausserhalb der Lunge ihr Unwesen treiben und schwere, schmerzende Haut- und Schleimhautreaktionen auslösen.
Frühe und eindeutige Diagnose bakterieller Infektionen
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Allerdings ist der Zusammenhang zwischen Mykoplasmen-Infektion und Haut- und Schleimhaut-entzündungen schwierig zu beweisen: Routinetests können zwar die Mykoplasmen nachweisen, beantworten jedoch nicht die Frage, ob diese die Ursache für die Infektion sind oder ob die Bak-terien nur den Nasen-Rachen-Raum ohne Folgen kolonisieren.
Ein Forschungsteam des Universitäts-Kinderspitals hat deshalb den ELISpot-Bluttest («Enzyme-linked Immunospot»-Test) entwickelt, der innerhalb von 24 Stunden spezifische Abwehrzellen nachweisen kann. Die Abwehrzellen sind direkt gegen die Mykoplasmen gerichtet und werden nur bei einer Infektion aktiv. «Eine frühe und eindeutige Erkennung der bakteriellen Infektion ist wichtig, damit die Bakterien als Auslöser der Haut- und Schleimhautreaktionen durch eine geziel-te antibiotische Behandlung rasch eliminiert werden können», sagt Patrick Meyer Sauteur, Ober-arzt für Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital Zürich.
Schwere Reaktionen als Komplikation einer Lungenentzündung
Der neue ELISpot-Bluttest wurde bereits in einer Pneumonie-Studie am Kinderspital Zürich ein-gesetzt, bei der Haut- und Schleimhautreaktionen erstmals bei 152 Kindern mit Lungenentzün-dung beobachtet wurden. Bei einem Drittel der Patientinnen und Patienten konnten Mykoplas-men als Ursache der Lungenentzündung nachgewiesen werden. Bei 23 Prozent der betroffenen 44 Kindern erzeugten Mykoplasmen Haut- und Schleimhautreaktionen – bei drei von ihnen kam es zu schweren Läsionen vor allem der Schleimhaut. Nur 3 Prozent der Kinder mit Infektionen anderer Ursache hatten Haut- und Schleimhautreaktionen.
Weshalb Infektionen mit Mykoplasmen – neben Atemwegssymptomen – oft zu Erkrankungen der Haut und der Schleimhäute führen, ist noch nicht vollständig geklärt. In der Studie zeigte sich, dass das Immunsystem bei Kindern, die mit Mykoplasmen infiziert waren und Haut- sowie Schleimhautreaktionen zeigten, viel stärker aktiviert war als bei ebenfalls infizierten Kindern, die ausschliesslich Atemwegssymptome aufwiesen. «Dies lässt eine interessante Schlussfolgerung zu: Nicht die Mykoplasmen sind die direkte Ursache der Haut- und Schleimhautreaktionen, son-dern das Immunsystem selbst, das auf die Mykoplasmen reagiert», so Meyer Sauteur.
Bakterien führen das Immunsystem in die Irre
Aktuell erforscht das Team am Kinderspital, welche Komponenten diese Immunreaktion auslösen und welche Strukturen der Haut und der Schleimhaut angegriffen werden. Frühere Studien zeig-ten, dass die Oberfläche der Mykoplasmen eine grosse Ähnlichkeit mit körpereigenen Strukturen verschiedener Gewebe haben können. Daher wird vermutet, dass sich das Immunsystem sowohl gegen die Mykoplasmen als auch gegen die ähnlichen, körpereigenen Strukturen richtet, weil es die beiden nicht auseinanderhalten kann.
Der neue Bluttest erlaubt es, die Immunreaktion im Blut genau zu erforschen und bei den Patien-ten mit einer Mykoplasmen-Infektion eine exakte Diagnose zu stellen. «Unsere Forschungser-gebnisse wirken sich direkt auf die Behandlung aus: Bei Mykoplasmen-Infektionen können nicht nur Antibiotika eine Besserung der Symptome bewirken, sondern zusätzlich auch Medikamente, die das Immunsystem gezielt unterdrücken», sagt der Infektiologe.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. med. Patrick M. Meyer Sauteur
Oberarzt Infektiologie und Spitalhygiene
Universitäts-Kinderspital Zürich
Telefon +41 44 266 78 96
E-Mail: patrick.meyer@kispi.uzh.ch
Originalpublikation:
Patrick M. Meyer Sauteur, Martin Theiler, Michael Buettcher, Michelle Seiler, Lisa Weibel, Chris-toph Berger. Mycoplasma pneumoniae-induced mucocutaneous disease: a prospective longitudi-nal cohort study. JAMA Dermatology, 18 Dezember 2019. Doi: 10.1001/jamadermatol.2019.3602
Weitere Informationen:
https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2019/Schleimhaut.html
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
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