17.03.2020 11:34
Nachhaltige Herstellung einer industriell relevanten Aminosäure durch Fermentation
DSMZ-Wissenschaftlerin Yvonne Mast nutzt die Synthetische Biologie für die umweltfreundliche Herstellung von D-Phenylglycin
(Braunschweig, den 17. März 2020): Einem Team um Professorin Yvonne Mast vom Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH in Braunschweig ist es gelungen, einen wichtigen Baustein für Produkte der Pharmaindustrie, D-Phenylglycin, erstmals auf biosynthetischem Weg in Actinomyceten herzustellen. Ihre Ergebnisse publizierte die Leiterin der Abteilung Bioressourcen für Bioökonomie und Gesundheitsforschung jetzt im international renommierten Fachjournal Applied Microbiology and Biotechnology. Mit dem neu etablierten Syntheseweg eröffnet sich die Möglichkeit, wichtige Bausteine für Antibiotika, Süßstoffe oder Deodorants umweltfreundlich und ressourcenschonend zu produzieren.
Phenylglycin – essentieller Baustein für die Feinchemikalienindustrie
Phenylglycin ist eine seltene, nicht-proteinogene Aminosäure und kommt nur als Bestandteil von mikrobiellen Naturstoffen wie bestimmten Antibiotika vor. In der Natur liegt die Aminosäure als L-Phenylglycin (L-Phg) vor, viel interessanter für die industrielle Nutzung ist aber das stereoisomere D-Phenylglycin (D-Phg). Dies kommt aber nicht in der Natur vor und muss synthetisch erzeugt werden. D-Phg wird als Baustein zur Herstellung zahlreicher semisynthetischer ß-Lactam Antibiotika wie beispielsweise Ampicillin verwendet. Derzeit werden weltweit jährlich mehr als 5.000 Tonnen D-Phg auf konventionelle Art hergestellt. Dabei werden petrochemische Rohstoffe als Ausgangsmaterial eingesetzt und verschiedene Chemikalien und Lösungsmittel für die Herstellung verwendet.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Fermentative Produktion von D-Phenylglycin
Bei der fermentativen Produktion stellen Mikroorganismen definierte Substanzen her. Die Vorteile der Fermentation sind vielfältig: die Ausgangsstoffe sind meist erneuerbare Substrate wie Glukose (Traubenzucker) und die Endprodukte weisen eine hohe enantiomere (optische) Reinheit auf. Für ihre Versuche nutzten Professorin Mast und ihr Team Stretomyces pristinaespiralis, ein Bakterium, das zu der Gruppe der Actinomyceten gehört. Dieses Bakterium produziert natürlicherweise die Aminosäure L-Phg als Bestandteil des Antibiotikums Pristinamycin. Durch einen Synthetischen Biologie-Ansatz ist es der Arbeitsgruppe gelungen, den natürlichen L-Phg-Biosyntheseweg aus S. pristinaespiralis dahingehend zu modifizieren, dass eine Produktion des gewünschten D-Phg erfolgt. Der künstliche Biosyntheseweg kann nun auch zur Produktion in anderen Wirtsstämmen verwendet werden. „Die Produktionsraten sind zwar noch gering“, fasst Yvonne Mast zusammen „wir haben aber die Möglichkeiten des sogenannten Genetic Engineering noch nicht voll ausgeschöpft und forschen aktuell an einer Steigerung der Produktionsrate. Denn nur so ist die nachhaltige Produktion von solch vielfältig einsetzbaren Bausteinen wie D-Phenylglycin auch für die Industrie wirklich interessant.“
Originalpublikation:
Moosmann D, Mokeev V, Kulik A, Osipenkov N, Kocadinc S, Ort-Winklbauer R, Handel F, Hennrich O, Youn JW, Sprenger GA, Mast Y. Genetic engineering approaches for the fermentative production of phenylglycines. Appl Microbiol Biotechnol. 2020 Feb 20.
doi: 10.1007/s00253-020-10447-9. [Epub ahead of print]
DSMZ-Pressekontakt:
Sven-David Müller, Pressesprecher des Leibniz-Instituts DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH
Tel.: 0531/2616-300
Email: Sven.David.Mueller@dsmz.de
Über das Leibniz-Institut DSMZ
Das Leibniz-Institut DSMZ-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH ist die weltweit vielfältigste Sammlung für biologische Ressourcen (Bakterien, Archaeen, Protisten, Hefen, Pilze, Bakteriophagen, Pflanzenviren, genomische bakterielle DNA sowie menschliche und tierische Zellkulturen). An der DSMZ werden Mikroorganismen sowie Zellkulturen gesammelt, erforscht und archiviert. Als Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft ist die DSMZ mit ihren umfangreichen wissenschaftlichen Services und biologischen Ressourcen seit 1969 globaler Partner für Forschung, Wissenschaft und Industrie. Die DSMZ ist als gemeinnützig anerkannt, die erste registrierte Sammlung Europas (Verordnung (EU) Nr. 511/2014) und nach Qualitätsstandard ISO 9001:2015 zertifiziert. Als Patenthinterlegungsstelle bietet sie die bundesweit einzige Möglichkeit, biologisches Material nach den Anforderungen des Budapester Vertrags zu hinterlegen. Neben dem wissenschaftlichen Service bildet die Forschung das zweite Standbein der DSMZ. Das Institut mit Sitz auf dem Science Campus Braunschweig-Süd beherbergt mehr als 73.000 Kulturen sowie Biomaterialien und hat 198 Mitarbeiter. www.dsmz.de
Über die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro. www.leibniz-gemeinschaft.de
Originalpublikation:
Moosmann D, Mokeev V, Kulik A, Osipenkov N, Kocadinc S, Ort-Winklbauer R, Handel F, Hennrich O, Youn JW, Sprenger GA, Mast Y. Genetic engineering approaches for the fermentative production of phenylglycines. Appl Microbiol Biotechnol. 2020 Feb 20.
doi: 10.1007/s00253-020-10447-9. [Epub ahead of print]
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch