23.08.2019 12:13
Neue Ansätze zur Heilung verletzter Nerven
Verletzungen von Nervenfasern an Gehirn, Rückenmark und Sehnerven haben in der Regel funktionelle Verluste zur Folge, weil die Nervenfasern nicht regenerationsfähig sind. Ein Team des Lehrstuhls Zellphysiologie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Prof. Dr. Dietmar Fischer hat neue Mechanismen entschlüsselt, die die Regeneration solcher Fasern ermöglicht. Das könnte neue Therapieansätze bei Hirn-, Sehnerv- und Rückenmarksverletzungen eröffnen. Die Forscherinnen und Forscher berichten diese Ergebnisse in der Zeitschrift Nature Communications Biology vom 23. August 2019.
Gehirn, Rückenmark und Sehnerven werden unter dem Begriff Zentrales Nervensystem zusammengefasst. Die Nervenfasern, sogenannte Axone, können nach Verletzung nicht mehr nachwachsen, sodass Schäden dauerhaft sind. „Man kann die Regenerationsfähigkeit von Nervenzellen des Zentralen Nervensystems zum Teil wiederherstellen, indem man das hemmende Protein PTEN eliminiert“, erklärt Dietmar Fischer. „Allerdings löst ein solcher sogenannter Knockout viele unterschiedliche Reaktionen in den Zellen gleichzeitig aus, die auch häufig zu Krebs führen.“ Aus diesem Grund ist eine direkte Hemmung dieses Proteins für therapeutische Ansätze beim Menschen ungeeignet. Auch ließ sich der ursprünglich postulierte Mechanismus, der der erneuten Regenerationsfähigkeit nach PTEN-Knockout zugrunde liegt, nicht durch weiterführende Studien bestätigen, sodass die Forscher nach alternativen Erklärungen suchten.
Nur die positiven Effekte zulassen
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Bei ihren Untersuchungen dieses noch unklaren Mechanismus konnten die Bochumer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstmals zeigen, dass durch den PTEN-Knockout ein Enzym namens Glycogensynthase-Kinase-3, kurz GSK3, stark gehemmt wird. Dieses Enzym blockiert seinerseits ein weiteres Protein namens Collapsin-Response-Mediator-Protein-2, CRMP2. Das bedeutet, der PTEN-Knockout verhindert, dass CRMP2 durch GSK3 gehemmt wird. „Wenn wir diesen zweiten Schritt direkt verhindern, die Hemmung des CRMP2 also unterbinden, können wir den regenerationsfördernden Effekt ebenfalls und spezifischer erreichen“, erklärt Dietmar Fischer. Die Aktivierung von CRMP2 selbst ist, soweit bekannt, nicht krebsauslösend.
Ansätze für neue Medikamente
„Wenngleich wir diese Effekte bisher erst in genetisch veränderten Mäusen und über gentherapeutische Ansätze gezeigt haben, eröffnen uns diese Erkenntnisse verschiedene Möglichkeiten zur Entwicklung von neuen medikamentösen Ansätzen“, erklärt der Neuropharmakologe. Weitere Untersuchungen an seinem Lehrstuhl beschäftigen sich mit diesen Optionen.
Förderung
Die Arbeiten wurden gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft.
Redaktion: Meike Drießen
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Dietmar Fischer
Lehrstuhl für Zellphysiologie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 29602
E-Mail: dietmar.fischer@rub.de
Originalpublikation:
Marco Leibinger, Alexander Hilla, Anastasis Andreadaki: GSK3-CRMP2 signaling mediates axonal regeneration induced by PTEN knockout, in: Nature Communications Biology, 2019, DOI: 10.1038/s42003-019-0524-1
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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