Neuer Gebärmutterhalskrebs-Test erkennt Krebsvorstufen Jahre im Voraus



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19.10.2022 09:41

Neuer Gebärmutterhalskrebs-Test erkennt Krebsvorstufen Jahre im Voraus

Ein neu entwickelter Test erkennt frühe Krebsvorstufen am Gebärmutterhals. Dieses Verfahren funktioniert besser als derzeit verfügbare Methoden und erkennt die Veränderungen bereits Jahre vor der Krebsentstehung. Entwickelt wurde der Test unter der Leitung von Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck. Der neue Test ist Teil eines Forschungsprogrammes welches ermöglichen soll, durch einen einzelnen Gebärmutterhalsabstrich das Erkrankungsrisiko für vier Krebsarten (Brust-, Eierstock-, Gebärmutterkörper- und Gebärmutterhalskrebs) vorherzusagen.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Die heute in der Fachzeitschrift Genome Medicine veröffentlichte Studie berichtet über eine neue, sensiblere und aussagekräftigere Methode der Gebärmutterhalskrebs-Früherkennung – den WID-CIN Test – mit der Krebsvorstufen des Gebärmutterhalses zuverlässig identifiziert oder vorhergesagt werden können. Aktuell besteht die Früherkennung des Gebärmutterhalskrebs in Österreich aus Untersuchung mikroskopischer Veränderungen der Zellen des Gebärmutterhalses. Der neue Test erkennt Krebsvorstufen jedoch bereits, wenn mikroskopisch noch keine Veränderungen sichtbar sind und könnte somit ein gezielteres Screening ermöglichen. Die Methode wurde von Martin Widschwendter, Professor für Krebsprävention und Screening an der Universität Innsbruck und dem University College London, seinem Team und Mitarbeiter*innen des Karolinska Instituts in Stockholm entwickelt.

Test untersucht DNA-Methylierung

Die Studie ist Teil eines umfassenden Forschungsprogramms, in dessen Rahmen ein Screeningtest für alle frauenspezifischen Krebserkrankungen anhand einer einzelnen Probe entwickelt wird. Dieser Test soll anhand verschiedener molekularer Signaturen somit das künftige Risiko für vier Krebsarten, Brust-, Eierstock-, Gebärmutterkörper- und Gebärmutterhalskrebs, vorhersagen.

Der neue WID-CIN Test ist Teil des überspannenden Tests und untersucht die DNA-Methylierung von Gebärmutterhalszellen. Bei der DNA-Methylierung handelt es sich um eine Veränderung des Erbguts, die von Umweltfaktoren beeinflusst werden kann. Diese teilt den Zellen mit, welche Teile des genetischen Codes sie ablesen sollen. Diese sogenannten epigenetischen Veränderungen können das Risiko für bestimmte Krankheiten wie Krebs erhöhen. Die Forscher*innen wollen damit nicht nur die Vorstufen von Krebs erkennen, sondern auch zukünftiges Krebsrisiko vorhersagen.

Wie Vorsorgeuntersuchungen in Österreich funktionieren

In Österreich können sich aktuell Frauen jährlich einer Gebärmutterhalsuntersuchung unterziehen. Bei diesem Screening wird vom Gebärmutterhals mit einer weichen Bürste ein Zellabstrich entnommen. Die in der Probe enthaltenen Zellen werden unter dem Mikroskop auf Veränderungen untersucht, die unbehandelt zu Krebs führen können. Mit diesem Test („Zytologie“, für Zelluntersuchung), werden abnorme Zellen am Gebärmutterhals erkannt. Frauen mit Zellveränderungen werden zu Folgeuntersuchungen eingeladen und von einem*er Spezialisten*in mit einem Kolposkop, einem Instrument, das die Ansicht des Gebärmutterhalses vergrößert, genau untersucht. Anders als in Österreich wird in anderen westlichen Ländern häufig zuerst ein Test auf das Gebärmutterhalskrebs verursachende Virus- das humane Papillomavirus (HPV) – durchgeführt. Bei positivem Ergebnis folgt dann eine Zytologie.

Falls Zellveränderungen (cervikale intraepitheliale Neoplasien – CIN) gefunden werden, wird der Grad der Veränderung bestimmt (1-3). Frühe Zellveränderungen (CIN1 und 2) bilden sich oft spontan zurück. Deswegen werden vorerst nur engmaschigere Untersuchungen durchgeführt, bis sich die Zellen wieder normalisiert haben oder eine Behandlung erforderlich ist. Bei hochgradigen Zellveränderungen (CIN3) werden bei betroffenen Frauen die veränderten Zellen mit einem Verfahren namens LLETZ (“Large loop excision of the transformation zone”) entfernt, bei dem die abnormen Zellen entfernt werden, bevor sie sich zu einem invasiven Krebs entwickeln können.

Herkömmliche Methoden werden übertroffen

Der neu entwickelte WID-CIN Test übertraf die Zytologie und Ergebnisse deuten darauf hin, dass er auch andere neue, bereits verfügbare molekulare Tests zur Erkennung von Frauen mit CIN3 und Krebs an Genauigkeit übertrifft. Der WID-CIN Test stellt somit einen deutlichen Fortschritt in der Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs dar. Insbesondere erkannte der Test mehr als die Hälfte der HPV-infizierten Frauen (55%), die aktuell noch gar keine sichtbaren Zellveränderungen hatten, aber bei denen sich innerhalb der folgenden vier Jahre eine ausgeprägte Krebsvorstufe (CIN3) entwickelte. Im Rahmen der Studie untersuchten die Forscher*innen 1 254 Gebärmutterhals-Screening-Proben. Diese stammten aus dem Gebärmutterhals-Screening-Programm in der schwedischen Region Stockholm und wurden im Karolinksa Center for Cervical Cancer Elimination (Stockholm, Schweden) aufbewahrt. Die Proben stammten von Frauen mit Zellveränderungen von CIN1 bis CIN3, von Frauen mit HPV, aber ohne Zellveränderungen im Gebärmutterhals, und von Proben von Frauen ohne Zellveränderungen im Gebärmutterhals, die innerhalb von vier Jahren CIN3 entwickelten.

Das Forschungsteam geht nun in die nächste Phase der Studie, in der es die neue Technologie an Screening-Proben von Frauen, die gegen HPV geimpft wurden, testen wird. Durch die HPV-Impfung gegen krebsverursachende Subtypen wird zwar das Vorkommen von Gebärmutterhalskrebs drastisch reduziert. Allerdings können auch andere Subtypen Krebs verursachen, welche nicht durch aktuelle Tests erkannt werden. Der neue WID-CIN Test erkennt Krebsvorstufen anhand krebsassoziierter epigenetischer Veränderungen und könnte somit HPV-typenübergreifend alle Krebsvorstufen erkennen.

Zitate:

Prof. Martin Widschwendter, European Translational Oncology Prevention and Screening Institute (EUTOPS), Universität Innsbruck, und UCL’s Department of Women’s Cancer, Institute for Women’s Health, UK, sagt: “Die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs verursachende Humane Papilloma Viren (HPV) ist inzwischen weit verbreitet und führt zu Veränderungen in der Menge und den Typen des in der Bevölkerung zirkulierenden Virus. Im Gegenzug müssen die Ansätze zur Gebärmutterhalskrebs-Vorsorge angepasst werden, damit die Programme weiterhin einen Nutzen bringen.

Unsere Arbeit hat gezeigt, wie die Untersuchung einer Gebärmutterhalsprobe neben der Erkennung von Vorstufen des Gebärmutterhalses auch Informationen über das Risiko einer Frau für drei andere Krebsarten – Brust-, Eierstock- und Gebärmutterkrebs – liefern kann. Der Aufbau neuer, ganzheitlicher, risikovorhersagender Screening-Programme auf der Grundlage der bestehenden, effektiven Entnahme von Gebärmutterhalsproben bietet ein echtes Potenzial für die Krebsprävention der Zukunft.”

Chiara Herzog, Molekularmedizinerin am EUTOPS Institut: “Gebärmutterhalskrebsvorbeugung ist eine historische Erfolgsgeschichte in der Präventionsmedizin: der Pap-Test hat bereits 1941 gezeigt, dass frühes Eingreifen Krebs verhindern kann. Unsere Tools zum Screening und Risikovorhersage werden seither immer besser. Der neuen WID Test ist genauer und erkennt Krebsvorstufen bereits bevor mikroskopische Veränderungen auftreten. Somit kann das Screening gezielter durchgeführt werden. Das ist eine gute Nachricht für die Gebärmutterhalskrebsvorbeugung und alle, die sich untersuchen lassen wollen.”

Förderung und Beteiligung:

Dieses Forschungsprojekt wurde durch das Horizon 2020 FORECEE-Projekt, der Wohltätigkeitsorganisation für gynäkologischen Krebs The Eve Appeal und der schwedischen Stiftung für strategische Forschung finanziert. Professor Martin Widschwendter wurde außerdem durch ein Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats (BRCA-ERC) unterstützt. Zu den Hauptmitarbeiter*innen am Forschungsprogramm gehörten Dr Chiara Herzog, Molekulare Medizinerin am EUTOPS Institut der Universität Innsbruck, Professor Joakim Dillner und die leitende Forscherin Dr. Karin Sundström und das Team des Karolinska-Zentrums für Gebärmutterhalskrebsbekämpfung (Schweden).


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Univ.-Prof. Dr. Martin Widschwendter
Forschungsinstitut für Biomedizinische Alternsforschung
Universität Innsbruck

E-Mail: martin.widschwendter@uibk.ac.at
Web: eutops.at

Dr. Chiara Herzog
Forschungsinstitut für Biomedizinische Alternsforschung
Universität Innsbruck

E-Mail: Chiara.Herzog@uibk.ac.at
Web: eutops.at


Originalpublikation:

The WID-CIN test identifies women with, and at risk of, cervical intraepithelial neoplasia grade 3 and invasive cervical cancer. James E. Barrett, Karin Sundström, Allison Jones, Iona Evans, Jiangrong Wang, Chiara Herzog, Joakim Dillner, and Martin Widschwendter.Genome Medicine (2022).https://doi.org/10.1186/s13073-022-01116-9


Weitere Informationen:

Video zu den WID-Tests


Bilder

Martin Widschwendter und Chiara Herzog vom EUTOPS Institut der Universität Innsbruck

Martin Widschwendter und Chiara Herzog vom EUTOPS Institut der Universität Innsbruck
Patrick Saringer


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW