17.02.2022 11:40
Neues Organ-on-Chip-System ermöglicht präzise Stoffwechsel-Überwachung von 3D-Tumorgewebe außerhalb des Körpers
• 3D-Gewebestrukturen auf Chip fungieren als Organe im Miniaturformat
• Das neue Organ-on-Chip-System misst in Echtzeit Sauerstoff- und Glucoseverbrauch sowie Lactatproduktion der Zellen
• System bietet Chancen für personalisierte Krebstherapie
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Ein Forschungsteam um Dr. Andreas Weltin, Dr. Jochen Kieninger und Johannes Dornhof vom Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) an der Universität Freiburg hat ein System entwickelt, das es unter anderem ermöglicht, die Entwicklung von Tumorzellen außerhalb des menschlichen Körpers im dreidimensionalen Verbund zu untersuchen. „Wir haben ein Organ-on-Chip-System realisiert, das via Mikrosensoren die Kulturbedingungen und Stoffwechselraten der Zellen jederzeit messen und steuern kann. In 3D-Zellkulturen war das bisher nur unzureichend möglich“, sagt Weltin. Das System entstand in Zusammenarbeit mit der Molekularen Gynäkologie in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Universitätsklinikum RWTH Aachen. In Zukunft könnten patienteneigene Zellen in Organ-on-Chip-Systemen eine personalisierte Krebstherapie ermöglichen. Die Arbeit der Wissenschaftler*innen wurde im Fachjournal „Lab on a Chip“ veröffentlicht.
Integrierte Sensoren messen Zellstoffwechsel
Bei Organ-on-Chip-Systemen werden dreidimensionale Gewebemodelle durch einen künstlichen Kreislauf so miteinander verbunden, dass sie auf einem Mikrochip agieren wie Organe im Miniaturformat. So können physiologische Prozesse – beispielsweise das Heranwachsen eines Tumors – außerhalb des menschlichen Körpers nachgebildet und beobachtet werden. Die Forschungsgruppe entwarf ein Chipdesign mit integrierter Mikrosensorik und Mikrofluidik, welches die Metaboliten der Zellen direkt vor Ort messen kann. In ihrem System ließen die Wissenschaftler*innen Brustkrebs-Minitumore aus einzelnen Stammzellen heranwachsen und überwachten mithilfe der elektrochemischen Sensoren den Sauerstoff- und Glucoseverbrauch sowie die Lactatproduktion der Zellen über eine Woche hinweg.
„Unsere Plattform ermöglicht die dynamische 3D-Kultur von Tumororganoiden, während bislang oft statische 2D-Kulturen verwendet werden, welche die komplexe Mikroumgebung eines Tumors nur begrenzt abbilden können“, so Erstautor und Doktorand Johannes Dornhof. Darüber hinaus kann mithilfe des Chip-Systems auch die Wirkung von Medikamenten auf den Zellstoffwechsel überprüft werden – beispielsweise konnte die zelluläre Wirkung von Chemotherapeutika im Rahmen der Krebsforschung quantitativ und in Echtzeit erfasst werden.
Patienteneigene Zellen könnten personalisierte Therapie ermöglichen
Die Verwendung patienteneigener Stammzellen ermöglicht dabei eine Nachbildung eines Originaltumors außerhalb des Körpers. Dies könnte neue Chancen einer personalisierten Therapie bieten, beispielsweise mit Blick auf eine mögliche Resistenz gegen bestimmte Chemotherapeutika, die bei aggressivem triple negativem Brustkrebs entscheidend ist. In Zukunft soll es möglich sein, Medikamente für einen Patienten zunächst in Organ-on-a-Chip-Systemen auf Effektivität und Nebenwirkungen zu testen.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen das Potential der Integration von Mikrosensorik in Organ-on-Chip-Systeme in der Krebsforschung und Wirkstoffentwicklung – vor allem mit Hinblick auf eine personalisierte Medizin“, sagt Weltin. Und Dr. Jochen Kieninger erläutert: „Diese Arbeit zeigt schön, wie wichtig interdisziplinäre Forschung ist. Verschiedene ingenieurwissenschaftliche Gebiete mit Biologie und Medizin zusammenzubringen, war wesentlich für den Erfolg.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Andreas Weltin
Professur für Sensoren
IMTEK – Institut für Mikrosystemtechnik
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-7263
E-Mail: andreas.weltin@imtek.uni-freiburg.de
Originalpublikation:
Dornhof, J., Kieninger, J., Muralidharan, H., Maurer, J., Urban, G. A., Weltin, A. (2022): Microfluidic organ-on-chip system for multi-analyte monitoring of metabolites in 3D cell cultures. In: Lab on a Chip, 22 (2). DOI: 10.1039/d1lc00689d (kostenloser Download ohne Anmeldung)
Weitere Informationen:
https://kommunikation.uni-freiburg.de/pm/2022/neues-organ-on-chip-system-ermoegl…
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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