26.06.2019 16:47
Pharmazeuten graben im Mikrobengenom nach Schätzen
Im Boden warten ungehobene Schätze auf ihre Entdeckung: Das Erbgut des Bakteriums „Streptomyces“ enthält Baupläne für Naturstoffe, die bislang unbekannt sind – weitere Funde sind nach Überzeugung einer Marburger Forschungsgruppe sehr wahrscheinlich. Das Team berichtet über seine Ergebnisse im Fachblatt „Angewandte Chemie“.
Die Mikroben-Gattung Streptomyces umfasst harmlose Bodenbewohner, die eine Fülle an Naturstoffen bilden; so sind sie für den charakteristischen Geruch des Waldbodens verantwortlich. Auch Substanzen mit medizinischer Bedeutung gehen auf die Bakterien zurück, zum Beispiel Antibiotika wie Tetracyclin und Streptomycin. „Wir zeigen, dass diese Bodenbewohner eine Quelle vieler weiterer Naturstoffe sein können“, sagt der Pharmazeut Professor Dr. Shu-Ming Li von der Philipps-Universität Marburg, der die Forschungsarbeiten leitete.
Das Team fand heraus, dass Bakterien der Arten „Streptomyces monomycini“ und „Streptomyces varsoviensis“ genetische Baupläne für Enzyme enthalten, die ungewöhnliche Moleküle produzieren: Diese bestehen aus Proteinvorstufen, die mit Guanin gekoppelt sind, einem Baustein der Erbsäure DNA. Schon in einer früheren Studie beschrieb Lis Arbeitsgruppe eine derartige Verknüpfung eines Guanin-Restes mit einem kleinen Peptid. Die damalige Publikation diente als Vorarbeit zu dem aktuellen Artikel. „Nach unserer Kenntnis wurde noch nie zuvor von einer solchen Zusammenstellung eines kleinen Peptids mit einer Nukleobase berichtet“, erklärt Lis Mitarbeiterin Jing Liu, die als Erstautorin der Publikation in „Angewandte Chemie“ firmiert.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Die Forschungsgruppe identifizierte acht bislang unbekannte Naturprodukte, die durch die neu entdeckten Enzyme gebildet werden. „Unsere Daten zeigen, dass die von uns gefundenen Enzyme als besondere Biokatalysatoren fungieren“, führt Li aus.
Professor Dr. Shu-Ming Li lehrt Pharmazeutische Biologie an der Philipps-Universität Marburg. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie das Stipendienprogramm „China Scholarship Council“ des chinesischen Bildungsministeriums unterstützten die zugrunde liegende Forschungsarbeit finanziell.
Originalveröffentlichungen:
Jing Liu, Xiulan Xie & Shu-Ming Li: Guanitrypmycin Biosynthetic Pathways Imply Cytochrome P450-mediated Regio- and Stereospecific Guaninyl Transfer Reactions, Angewandte Chemie International Edition (2019), DOI: 10.1002/anie.201906891
Huili Yu, Xiulan Xie & Shu-Ming Li: Coupling of Guanine with cyclo-L‑Trp‑L‑Trp Mediated by a Cytochrome P450 Homologue from Streptomyces purpureus, Org. Lett. (2018), 4921−4925, DOI: 10.1021/acs.orglett.8b02051
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Shu-Ming Li,
Institut für Pharmazeutische Biologie und Biotechnologie
Tel: 06421-2822461
E-Mail: shuming.li@staff.uni-marburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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