17.08.2022 11:08
Potential der Nigrosom-Bildgebung zur früheren Diagnose von Parkinson
Neurophysiker:innen um Malte Brammerloh vom MPI CBS haben herausgefunden, dass die Identifikation von einem Magnetresonanztomographie-Zeichen zur Parkinsondiagnose als eine bestimmte anatomische Region im Gehirn zwar weit verbreitet, aber gar nicht korrekt ist. Ein besseres Verständnis des MRT-Kontrasts der „Nigrosom 1“ genannten anatomischen Region hat zur Aufklärung des Missverständnisses geführt und könnte sogar zur früheren Diagnose von Parkinson beitragen.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Jenes MRT-Zeichen, das sogenannte Schwalbenschwanz-Zeichen, schließt zwar einen Teil der anatomischen Region ‚Nigrosom 1‘ ein, sieht aber ganz anders aus.“, erklärt der Erstautor der Studie, die nun in der Zeitschrift „Radiology“ veröffentlicht wurde. „Das ist für den klinischen Bereich relevant, weil die Identifikation ‚Schwalbenschwanz Zeichen entspricht Nigrosom 1‘ zur Lehrmeinung geworden ist und revidiert werden sollte.“, so Malte Brammerloh weiter.
Bei Parkinson sterben dopaminproduzierende Nervenzellen in der Substantia Nigra im Mittelhirn ab, was bei den Betroffenen zu Bewegungsstörungen wie Verlangsamungen, steifen Muskeln und Zittern führt. Besonders stark und früh sind die Nervenzellen im Nigrosom 1 innerhalb der Substantia Nigra betroffen. Mit hochaufgelöster MRT-Bildgebung ist die Abbildung des Schwalbenschwanzzeichens möglich, welches sich im hinteren Drittel der Substantia nigra befindet und nach gängiger Lehrmeinung Nigrosom 1 entspricht. Bei gesunden Menschen erkennt man im MRT-Bild eine signalreiche längliche Struktur, die vorne und an den Seiten von signalarmen Arealen umgeben ist. Diese besondere Form erinnert an einen Schwalbenschwanz, daher spricht man auch vom Schwalbenschwanzzeichen (engl. Swallow tail sign). Nach der gängigen Interpretation des Zeichens führt das Absterben der Neuronen im Nigrosom 1 bei Parkinson-Betroffenen dazu, dass das Schwalbenschwanzzeichen schließlich nicht mehr erkennbar ist. Ist das der Fall, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Parkinson-Erkrankung vor.
Malte Brammerloh und seine Kolleg:innen haben nun mikroskopische 3D-Untersuchungen von menschlichen Gehirnen nach dem Tod mit MRT-Technik kombiniert, um zu zeigen, dass Nigrosom 1 und das radiologische Schwalbenschwanz-Zeichen sich nur teilweise überlappen und in der Tat sehr unterschiedlich sind. Die Wissenschaftler:innen plädieren daher dafür, das Schwalbenschwanz-Zeichen nicht mit der Region Nigrosom 1 gleichzusetzen. Dies erlaubt eine Neuinterpretation des diagnostischen Schwalbenschwanz-Zeichens und eröffnet gleichzeitig neue Wege zur spezifischen Nigrosombildgebung. Brammerloh: „Wir glauben, dass man mit diesem neuen Wissen besser versteht, wie Anatomie und MRT-Kontraste zusammenhängen und wie neue MRT-Marker für die frühe Diagnose von Parkinson entwickelt werden können.“
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Malte Brammerloh
Doktorand
mbrammerloh@cbs.mpg.de
Bettina Hennebach
Pressereferentin
hennebach@cbs.mpg.de
Originalpublikation:
Malte Brammerloh, Evgeniya Kirilina, Anneke Alkemade, Pierre-Louis Bazin, Caroline Jantzen, Carsten Jäger, Andreas Herrler, Kerrin Pine, Penny Gowland, Markus Morawski, Birte Forstmann, and Nikolaus Weiskopf:
„Swallow tail sign: revisited“
In: Radiology
https://pubs.rsna.org/doi/10.1148/radiol.212696
Weitere Informationen:
https://www.cbs.mpg.de/2028091/20220816-01?c=7505
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
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