Schlüsselquelle für Erinnerungen



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13.11.2020 12:20

Schlüsselquelle für Erinnerungen

Das Gehirn kodiert die von den Sinnen gesammelten Informationen. Um die Umwelt wahrnehmen und mit ihr interagieren zu können, müssen diese sensorischen Signale jedoch im Zusammenspiel mit früheren, im Gehirn gespeicherten Erfahrungen und den aktuellen Absichten des Individuums interpretiert werden.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Ein Team um Prof. Dr. Johannes Letzkus, Professor an der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg und Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main, hat nun eine Schlüsselquelle dieser erfahrungsabhängigen so genannten Top-down-Informationen identifiziert. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachmagazin Science veröffentlicht.

Der Neokortex ist der größte Bereich des Gehirns. Alle seine wichtigen kognitiven Funktionen werden durch die Konvergenz von zwei unterschiedlichen Informationsströmen ermöglicht: einem „Bottom-up”-Strom, der Signale aus der Umgebung repräsentiert, und einem „Top-down”-Strom, der intern erzeugte Informationen zu frühere Erfahrungen und aktuellen Absichten überträgt. Die Frage, wie und wo diese intern erzeugten Informationen genau verarbeitet werden, sei noch weitgehend unerforscht, sagt Letzkus. Deshalb suchten er und sein Team nach den Quellen dieser Top-down-Signale: Es gelang den Wissenschaftlern, eine Region des Thalamus, eines tief im Neokortex eingebetteten Hirnareals, als Schlüsselkandidat für eine solche interne Informationsquelle zu identifizieren.

Darauf aufbauend entwickelte Dr. M. Belén Pardi, Postdoktorandin bei Letzkus, eine Strategie, die Antworten einzelner thalamischer Synapsen im Neokortex der Maus vor und nach einem Lernvorgang zu messen. „Während dabei neutrale Stimuli ohne Relevanz durch kleine und schnell abklingende Antworten in diesem Signalweg kodiert wurden, steigerte das Lernen die Aktivität der Synapsen stark und machte die Signale sowohl schneller als auch länger anhaltend”, erklärt Pardi. „Dabei zeigte sich eine starke Korrelation des Effekts mit der Stärke der Erinnerung, was darauf hindeutet, dass Signale aus dem Thalamus die erlernte Verhaltensrelevanz von Reizen kodieren”, sagt Letzkus.

In weiteren Experimenten und Computermodellierungen, die zusammen mit dem Team um Dr. Henning Sprekeler von der Technischen Universität Berlin stattfanden, entdeckten die Forschenden einen bisher unbekannten Mechanismus, der diese Informationen fein regulieren kann, und identifizierten einen spezialisierten Neuronentyp in der äußersten Schicht des Neokortex, der den Fluss dieser Top-down-Signale dynamisch steuert. Das bestätigt die Annahme der Wissenschaftler, dass die Eingänge des Thalamus in den sensorischen Neokortex als eine Schlüsselquelle für Informationen über frühere Erfahrungen, die mit sensorischen Stimuli verbunden waren, fungieren. „Solche Top-Down-Signale sind bei einer Reihe von Erkrankungen wie Autismus und Schizophrenie gestört“, erklärt Letzkus. „Wir hoffen, dass die vorliegenden Ergebnisse auch ein tieferes Verständnis der Veränderungen ermöglichen werden, die diesen Gehirnstörungen zugrunde liegen.”

Diese Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Europäischen Forschungsrat, der Max-Planck-Gesellschaft und dem Human Frontier Science Program unterstützt.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Johannes Letzkus
Institut für Physiologie I
Medizinische Fakultät
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-67312
johannes.letzkus@physiologie.uni-freiburg.de


Originalpublikation:

Pardi, M. B., Vogenstahl, J., Dalmay, T., Spanò, T., Pu, D.-L., Naumann, L. B., Kretschmer, F., Sprekeler, H., Letzkus, J. J. (2020): A thalamocortical top-down circuit for associative memory. In: Science. DOI: 10.1126/science.abc2399


Weitere Informationen:

https://www.pr.uni-freiburg.de/pm/2020/schluesselquelle-fuer-erinnerungen


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW