01.03.2019 13:53
Softorthese mit Echtzeit-Bewegungserkennung stärkt den Rücken
Rückenbeschwerden sind ein häufiger Grund, dass sich Arbeitnehmer in Deutschland arbeitsunfähig oder krank melden. Betroffen sind oftmals Angestellte in den Branchen Logistik, Produktion und Dienstleistung, bei denen körperlich belastende Bewegungsabläufe den Alltag prägen. Mit ErgoJack bieten Fraunhofer-Forscherinnen und -Forscher eine intelligente Softorthese, die Arbeitskräfte mit einer Echtzeit-Bewegungserkennung unterstützt und Erkrankungen des Rückens entgegenwirkt. Vom 1. bis 5. April 2019 wird ein Prototyp der smarten Weste auf der Hannover Messe live präsentiert (Halle 17, Stand C24).
Stundenlang steht der Schweißer gebückt über dem Anlagenbauteil – Rückenschmerzen sind bei dieser Zwangshaltung vorprogrammiert. Schlimmer noch: Übt der Mitarbeiter diese Tätigkeit über Jahre hinweg aus, ohne auf eine ergonomische Körperhaltung zu achten, sind dauerhafte Schädigungen wie vorzeitiger Rückenverschleiß keine Seltenheit. Dies gilt auch für Arbeitskräfte, die ständig schwere Gegenstände heben müssen. Mit ErgoJack haben Forscherinnen und Forscher der Berliner Fraunhofer-Institute für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK und für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM eine intelligente Softorthese entwickelt, die den Rücken entlastet und Arbeitende animiert, belastende Bewegungsabläufe ergonomisch auszuführen. Mit dem modularen Wearable-Soft-Robotics-System wollen die Forscherteams dem Ausfallrisiko von Arbeitskäften entgegenwirken.
Echtzeit-Bewegungsanalyse unterscheidet ergonomische von unergonomischen Bewegungen
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
»Alleinstellungsmerkmal unserer softrobotischen Oberkörperorthese ist eine Echtzeit-Bewegungsanalyse. Eigens entwickelte Algorithmen, die auf Machine Learning und KI basieren, ermöglichen die Ergonomieanalyse. Dadurch unterscheidet sich die Orthese von handelsüblichen Exoskeletten, also Stützrobotern, die prinzipbedingt alle – auch unergonomische Bewegungen – einfach nur kraftunterstützen und lediglich die Belastungskräfte des Trägers aus überlasteten in weniger belastete Körperareale umleiten«, sagt Dipl.-Ing. Henning Schmidt, Wissenschaftler am Fraunhofer IPK. Die Bewegungsanalyse der IPK-Orthese hingegen erkennt ergonomische und unergonomische Bewegungen. Per Vibrationsalarm erhält der Träger in Echtzeit Feedback, wenn er Haltungen einnimmt oder Bewegungen ausführt, die gesundheitsschädlich sind. Der Trick: In die Weste integrierte inertiale Bewegungssenoren (IMU, kurz für Inertial Measurement Unit) gleichen vorgelernte Bewegungsmuster mit der tatsächlich ausgeführten Bewegung ab und werten sie in Echtzeit aus. Dieser Vorgang dauert wenige hundert Millisekunden. Die miniaturisierten Bewegungssensoren befinden sich an den Schultern, dem Rücken und den Oberschenkeln.
Neben den Bewegungssensoren sind eine robuste, miniaturisierte Elektronik inklusive Embedded Controller sowie ein Vibrationsmodul und ein Akku in die Orthese integriert. Für die Entwicklung der miniaturisierten elektronischen Bauteile zeichnet das Fraunhofer IZM verantwortlich, während das Design des Systemlayouts, der Mensch-System-Schnittstelle, der Mechanik, der Elektronik und Software einschließlich des Echtzeitalgorithmus mit maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz am Fraunhofer IPK erfolgt. Die Datenverarbeitung läuft direkt auf der Weste. »Die Echtzeitalgorithmik erfordert aufwendige Berechnungen und eine sehr hohe Robustheit, dennoch kommt der Anlernprozess der Arbeitskräfte mit einem sehr kleinen Bewegungstrainingsdatensatz aus«, beschreibt Schmidt eine weitere Besonderheit des Systems. Derzeit arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IZM daran, die Elektronik und die Sensorik der Textilversion der Orthese so zu verkapseln, dass sie waschbar sind und nicht aus der Weste entnommen werden müssen.
Orthese in verschiedenen Ausführungen für alle Konfektionsgrößen verfügbar
Kunden können künftig zwischen einer rein sensorischen Textilweste und einer Variante mit Kraftunterstützung wählen. Eine weitere aktuelle Systemvariante mit Rücken- und Hüftunterstützung wurde mit einer miminal nötigen Orthesenbügel-Auflagefläche am Körper konzipiert. Durch ein arretierbares seitliches Hüftgelenk an der Weste lässt sich die Kraftübertragung vom Rücken in die Beine ein- und ausschalten. Dieser Mechanismus ermöglicht wechselnde Tätigkeiten im Stehen und Sitzen.
ErgoJack eignet sich für den Einsatz in unterschiedlichsten Branchen. Sowohl Logistiker als auch Produktionsmitarbeiter, die schwere Pakete von Paletten heben müssen oder sich bei Schweißprozessen über Stunden hinweg in einer Zwangshaltung befinden, profitieren davon, wie erfolgreiche Pilottests bei dem Automobilhersteller Ford gezeigt haben.
Die Forscherinnen und Forscher präsentieren einen Prototyp des Wearable-Soft-Robotics-Systems vom 1. bis 5. April 2019 auf der Hannover Messe am Fraunhofer-Gemeinschaftsstand in Halle 17, Stand C24.
Weitere Informationen:
https://www.fraunhofer.de/de/presse/presseinformationen/2019/maerz/softorthese-m…
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Maschinenbau, Medizin, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
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