21.01.2019 12:15
Software sagt voraus, an welchen Stellen Genschalter an die DNA binden
Gemeinsame Presseinformation Julius Kühn-Institut (JKI) und Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU):
Bioinformatiker des JKI und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) bieten preisgekröntes Programm als Open Source an. Veröffentlichung in „Genome Biology“.
Nicht jedes der unzähligen Gene im Erbgut eines Lebewesens wird auch abgelesen. Sie können ein- und ausgeschaltet werden, zum Beispiel, indem bestimmte Proteine, sogenannte Transkriptionsfaktoren, an spezifischen Stellen im Genom andocken. Solche Transkriptionsfaktoren können bei der Entstehung und Behandlung von Krankheiten eine Rolle spielen. So sind beispielsweise einige psychische Erkrankungen oder die Entstehung mancher Tumore in der Lunge mit Mutationen von Bindungsstellen für Transkriptionsfaktoren verbunden.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Ein experimenteller Nachweis solcher Bindungsstellen ist extrem aufwändig und teuer“, erklärt der Bioinformatiker Dr. Jens Keilwagen vom Julius Kühn-Institut. Mit Prof. Dr. Stefan Posch und Dr. Jan Grau von der MLU hat er deswegen eine Software entwickelt, die Bindungsstellen für Transkriptionsfaktoren in verschiedenen Gewebearten vorhersagen kann. Mit einem Prototyp dieses Programms hat das Bioinformatiker-Team im März 2017 die weltweite „ENCODE-DREAM in vivo Transcription Factor Binding Site Prediction Challenge“ gewonnen.
Nun haben die Forscher ihr Programm weiter optimiert und das Ergebnis ihrer Arbeit im renommierten Open-Access-Journal „Genome Biology“ veröffentlicht. Damit ermöglichen die Informatiker anderen Wissenschaftlern freien Zugang zu der weiterentwickelten Open-Source-Software. „In der Challenge reichte die Zeit nicht, um das Programm in der Tiefe zu evaluieren“, sagt Keilwagen. Das haben die Informatiker jetzt nachgeholt. So konnten die Wissenschaftler überflüssige Messungen entfernen und außerdem die wichtigsten Faktoren für die Vorhersage von Bindungsstellen identifizieren. „Entscheidend sind Zugänglichkeit zum DNA-Strang und Erkennungsmotiv“, erklärt Dr. Jan Grau von der MLU. „Die DNA ist in unterschiedlichen Gewebetypen unterschiedlich verpackt, was bestimmt, wie zugänglich die DNA für Transkriptionsfaktoren ist.“ Ein Erkennungsmotiv beschreibt Abfolgen von Nukleinbasen, die von einem bestimmten Transkriptionsfaktor besonders häufig gebunden werden.
Das nun veröffentlichte Programm ist schneller und anwenderfreundlicher als der Prototyp und hat so Potenzial als Werkzeug in der Grundlagenforschung. Bei einigen Transkriptionsfaktoren ermöglicht es bereits eine verlässliche Vorhersage von Bindungsstellen. Durch weitere Verbesserungen könnten langfristig, so die Hoffnung der Informatiker, aufwendige experimentelle Nachweise durch eine bioinformatische Vorhersage ersetzt werden.
Bisher ist das Programm auf Vorhersagen für menschliche Zellen beschränkt. Die Bioinformatiker von JKI und MLU planen aber bereits die Anwendung auf Pflanzenzellen. „Damit könnte man zum Beispiel prüfen, wie eine Pflanze auf Stress reagiert – wo binden dann welche Transkriptionsfaktoren, und was lösen sie dabei aus?“, so Keilwagen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Jens Keilwagen, JKI, jens.keilwagen[at]julius-kuehn.de
Dr. Jan Grau, MLU, grau[at]informatik.uni-halle.de
Originalpublikation:
DOI: https://doi.org/10.1186/s13059-018-1614-y
Weitere Informationen:
https://idw-online.de/de/news662194
https://www.julius-kuehn.de/presse/pressemeldung/news/j-team-weltweit-bestes-tea… – Presseinfo März 2017
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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