13.06.2019 14:35
„Stille Mutationen“ können Krebszellen verändern
Gen-Veränderungen im Protein-Bauplan galten bislang als irrelevant, wenn trotzdem die gleichen Protein-Bausteine hergestellt werden. Nun zeigen Freiburger Forscher, dass diese Mutationen durchaus die Proteinaktivität in Krebszellen verändern können. Die Studie erschien am 12. Juni 2019 im Fachmagazin Nature Communications.
Bislang dachte man, dass Änderungen im Erbgut ohne Folgen bleiben, wenn es dadurch nicht zu einem Austausch von Proteinbausteinen kommt. Man sprach dann von „stillen Mutationen“. Nun zeigen Freiburger Forscherinnen und Forscher, dass derartige Veränderungen aber durchaus die Zellaktivität verändern können. Das Team um Prof. Dr. Sven Diederichs, der die Abteilung für onkologische Forschung der Klinik für Thoraxchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg und die Abteilung RNA Biology and Cancer des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) leitet, untersuchte 88 Tumorarten und mehr als 650.000 Mutationen. „Am Beispiel des bedeutenden Krebs-Gens KRAS konnten wir zeigen, dass eine vermeintlich stille Mutation die Protein-Bildung verringert. Stille Mutation sind also gar nicht so still“, so Diederichs. Die Forscher entwickelten eine benutzerfreundliche Datenbank, SynMICdb, die bekannte stille Mutationen listet und so anderen Wissenschaftlern entsprechende Auswertungen deutlich vereinfacht. Ihre Datenbank und konkrete Ergebnisse stellen die Forscher am 12. Juni 2019 im Fachmagazin Nature Communications vor.
Wie ein falsch gefalteter Stadtplan
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
G, C, A, T: Im Erbgut gibt es vier Basen, die jeweils zu Dreiergruppen angeordnet sind. So können 64 Informationseinheiten dargestellt werden. Die Proteine im menschlichen Körper sind jedoch aus nur 21 unterschiedlichen Aminosäuren aufgebaut. Daher gibt es für viele Proteine mehrere, synonyme Möglichkeiten, sie im Erbgut darzustellen. Diese Veränderungen wurden lange auch als „stille Mutationen“ bezeichnet. Am Beispiel des Onkogens KRAS zeigten die Forscher, dass bereits eine einzelne synonyme Mutation die Struktur der Erbgut-Abschrift mRNA verändert. Dadurch kann die mRNA schlechter lesbar werden und das Protein wird weniger gebildet.
„Es ist ein bisschen wie bei einem Stadtplan: Je nachdem, wie er gefaltet ist, kann man ihn besser oder schlechter lesen. Davon hängt ab, wie schnell man ans Ziel kommt. Der Plan ist der gleiche, aber die Faltung hat Folgen“, erklärt Diederichs.
Eine solche Fehlfaltung der mRNA konnten Bioinformatiker der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg auch am Computer simulieren. „Wir konnten zeigen, dass sich die räumlichen Eigenschaften auch bei eigentlich stillen Mutationen gravierend verändern können“, sagt Prof. Dr. Rolf Backofen vom Institut für Informatik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.
„Derartige Veränderungen könnten künftig in der Krebstherapie eine wichtige Rolle spielen, etwa weil entscheidende Proteine stärker oder schwächer gebildet werden. Davor müssen aber die Folgen synonymer Mutationen deutlich besser erforscht werden. Das ist nun dank unserer Online-Datenbank auch für Wissenschaftler möglich, die keine vertieften bioinformatischen Kenntnisse mitbringen“, sagt Diederichs.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Sven Diederichs
Leiter der Abteilung für onkologische Forschung
Klinik für Thoraxchirurgie
Universitätsklinikum Freiburg
und
Leiter der Abteilung RNA Biology and Cancer
Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Heidelberg
Telefon: 0761 270-77571
sven.diederichs@uniklinik-freiburg.de
Originalpublikation:
Original-Titel der Studie: A pan-cancer analysis of synonymous mutations
DOI: 10.1038/s41467-019-10489-2
Link zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41467-019-10489-2
Weitere Informationen:
http://synmicdb.dkfz.de Link zur Datenbank
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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