29.07.2019 08:38
Unsterbliche Planarien: Bessere Stammzellen im Hungerzustand
Planarien sind sehr anpassungsfähige Tiere. Aufgrund ihrer hohen Anzahl an Stammzellen können sie aus einem kleinen Teilstück ihres Körpers den kompletten Organismus regenerieren. Forscher vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena haben zusammen mit Kollegen des Spanish National Center for Cardiovascular Research in Madrid (Spanien) den Stammzellpool von Planarien im Hungerzustand untersucht. Dieser Zustand hat einen positiven Effekt auf die Stammzellen von Planarien, denn sie weisen längere Telomere auf. Die Ergebnisse sind nun im Journal Stem Cell Reports erschienen.
Jena. Planarien sind sehr anpassungsfähige Plattwürmer. Sie können einzelne Körperteile nachwachsen lassen und sogar aus einem kleinen Teilstück ihres Körpers einen kompletten Organismus regenerieren. Diese erstaunliche Regenerationsfähigkeit ist auf den somatischen Stammzellpool der Planarien zurückzuführen, der unendlich oft alte oder geschädigte Zellen ersetzen kann. Da in ihrer natürlichen Umgebung oft Phasen der Nahrungsknappheit auftreten, haben sie überdies einzigartige Überlebensstrategien für Hungerphasen entwickelt: Sie schrumpfen und wachsen erst dann wieder, wenn Futter vorhanden ist. Dabei bleibt ihr Stammzellpool immer gleich. Auf Grund dieser Anpassungsfähigkeit finden sie in der Alternsforschung als Modellorganismus Anwendung.
Ein Forscherteam um Dr. Cristina González-Estévez vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena und dem Spanish National Center for Cardiovascular Research in Madrid, Spanien, hat den Stammzellpool in Planarien im Hungerzustand genauer untersucht. „Die zentrale Frage ist, wie dieser Zustand die somatischen Stammzellen reguliert“, erklärt González-Estévez die Motivation an der Studie. Man wusste bereits, dass ein solcher Zustand einen positiven Einfluss auf Stammzellen hat, aber die grundlegenden molekularen Mechanismen waren bisher noch nicht bekannt. Planarien besitzen aufgrund des hohen Anteils an Stammzellen eine hohe Regenerationsfähigkeit und sind somit ein passendes Modell zur Untersuchung dieser Fragestellung.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Längere Telomere in Stammzellen von Planarien
Telomere sind eine Art Schutzkappen an den Enden von Chromosomen, die diese vor Schädigung und Verschmelzung mit anderen Chromosomen schützen. Diese Schutzkappen werden im Laufe der Zeit mit jeder Zellteilung kürzer. Diese Verkürzung steht im Zusammenhang mit Alternsprozessen und altersassoziierten Krankheiten in verschiedenen Organismen, beispielsweise Mensch oder Maus. Das internationale Forscherteam analysierte die Stammzellen und deren Telomerlänge in Planarien. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass lange Telomere ein Hauptmerkmal von adulten Stammzellen in Planarien sind“, berichtet González-Estévez.
Die Forscher setzten eine Methode mit dem Namen „TelQ-FISH“ (telomere quantitative fluorescence in situ hybridization) ein, um die Länge der Telomere in den Stammzellen von Planarien im Hungerzustand zu messen. „Diese Methode wurde bisher vor allem an Mäusen verwendet, aber wir haben sie angepasst und erstmals bei Planarien angewendet“, erläutert González-Estévez. „Wir konnten zeigen, dass sich im Hungerzustand die Qualität des Stammzellpools in Planarien verbessert, denn sie weisen dann eine höhere Telomerlänge auf.“
Spezielle Mechanismen im Hungerzustand
Das Forscherteam fand heraus, dass der Hungerzustand zu einer Anreicherung von Stammzellen mit den längsten Telomeren führt. Dieses Phänomen, so die Forscher, hängt vom mTOR-Signalweg ab, der im Hungerzustand herunterreguliert ist. Dies ist ein wichtiger Signalweg, der das Zellwachstum und die Zellteilung kontrolliert und auch im Menschen vorkommt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass im Hungerzustand der mTOR-Signalweg blockiert ist und somit der Anteil von Stammzellen mit längeren Telomere ansteigt. Ist mTOR wiederum hochreguliert, hebt sich der Effekt des Hungerzustands auf die Telomerlänge von Stammzellen wieder auf. Dies weist auf einen verjüngenden Einfluss von Hungerphasen auf die Stammzellen in Planarien hin.
Aber welche Mechanismen stehen hinter diesem Effekt? Die Forscher haben hierauf zwei mögliche Antworten: Es könnte zum einen sein, dass sich im Hungerzustand besonders die Stammzellen mit längeren Telomeren symmetrisch teilen und dadurch zwei neue Stammzellen formen. Zum anderen wäre es möglich, dass sich Stammzellen mit langen Telomeren häufiger selbsterneuern, wenn die mTOR-Signalisierung ausfällt, während Stammzellen mit kurzen Telomeren sterben oder sich ausdifferenzieren.
Die Ergebnisse der Studie unterstreichen den positiven Einfluss von Hungerphasen auf den Stammzellpool und die Telomerlänge; beides Faktoren, die im Zusammenhang mit Langlebigkeit stehen. Weitere Untersuchungen, auch auf Basis der experimentellen Methode dieser Studie, könnten zeigen, ob der Einfluss des mTOR-Signalwegs auf Stammzellen und Telomerlänge auch in anderen Modellorganismen oder dem Menschen nachgewiesen werden kann.
Publikation
Marta Iglesias, Daniel A. Felix, Óscar Gutiérrez-Gutiérrez, Maria del Mar De Miguel-Bonet, Sounak Sahu, Beatriz Fernández-Varas, Rosario Perona, A. Aziz Aboobaker, Ignacio Flores, Cristina González-Estévez. Down-regulation of mTOR signaling increases stem cell population telomere length during starvation of immortal planarians. Stem Cell Reports. 2019. DOI: https://doi.org/10.1016/j.stemcr.2019.06.005
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Magdalena Voll
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Magdalena Voll
Originalpublikation:
Marta Iglesias, Daniel A. Felix, Óscar Gutiérrez-Gutiérrez, Maria del Mar De Miguel-Bonet, Sounak Sahu, Beatriz Fernández-Varas, Rosario Perona, A. Aziz Aboobaker, Ignacio Flores, Cristina González-Estévez. Down-regulation of mTOR signaling increases stem cell population telomere length during starvation of immortal planarians. Stem Cell Reports. 2019. DOI: https://doi.org/10.1016/j.stemcr.2019.06.005
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Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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