01.03.2022 14:33
Vertraute Objekte können autismusähnliche Verhaltesweisen im Mausmodell verhindern
Das Auftreten von Autismus-Merkmalen kann auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, wie z.B. Umwelt oder genetische Hintergrund. FMI-Forschende und ihre Kollegen bei Novartis haben gezeigt, dass bei Mäusen mit einer Autismus-Mutation, autismusähnliche Verhaltensweisen ausgelöst werden können, in dem man sie einer neuen Umgebung aussetzt ‒ wegen fehlerhaften Signalübertragung im Gehirn. Jedoch wenn vertraute Gegenstände der Umgebung hinzugefügt werden, können diese Mängel behoben werden. Dies deutet darauf hin, dass Verhaltenstherapien, die vertraute Objekte in die Umgebung einbeziehen, dazu beitragen können, das Auftreten von Autismus bei prädisponierten Menschen zu verhindern.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Jede Person aus dem Autismus-Spektrum ist einzigartig, und autistische Merkmale können sich sogar zwischen Geschwistern mit ähnlichem genetischen Hintergrund erheblich unterscheiden. Um mehr über die Faktoren zu erfahren, die zur Entstehung von Autismus beitragen könnten, haben Forschende der Caroni-Gruppe am FMI und den Novartis Institutes for BioMedical Research Mäuse untersucht, die eine Mutation im SHANK3-Gen tragen.
SHANK3 kodiert ein Protein, das den Neuronen bei der Kommunikation im Gehirn hilft. Mutationen in diesem Gen wurden mit Autismus und geistiger Behinderung in Verbindung gebracht, und Deletionen der chromosomalen Region, die SHANK3 enthält, führen zum Phelan-McDermid-Syndrom, einer Erkrankung, die durch geistige Behinderung, Sprachprobleme und Autismus gekennzeichnet ist.
Die Ergebnisse, die in der Zeitschrift Neuron veröffentlicht wurden, zeigen, dass die Aussetzung von Mäusen mit der SHANK3-Mutation an eine neue Umgebung autismusähnliche Verhaltensweisen auslösen kann, einschliesslich Problemen mit sozialem Engagement, und sich wiederholenden Bewegungen bei nachfolgenden Expositionen. Diese Defekte sind das Ergebnis einer fehlerhaften Signalübertragung im Gehirn, die ein Langzeitgedächtnis dafür schafft, dass man sich in einem bestimmten Kontext nicht engagiert. Das Hinzufügen von vertrauten Objekten zur Umgebung bei der ersten Exposition kann jedoch die Verhaltens- und Gehirnsignalstörungen beheben.
“Niemand hatte erwartet, dass das Erleben eines neuen Kontexts eine so grosse Auswirkung auf das Engagement haben würde und dass dies durch das Hinzufügen vertrauter Objekte verhindert werden kann”, sagt Studienautor Pico Caroni. Die Ergebnisse könnten Auswirkungen auf autistische Menschen haben. “Es könnte möglich sein, die Komfortzone einer Person mit Autismus zu erweitern, indem vertraute Dinge in einer neuen Umgebung eingeführt werden”, sagt Caroni.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Pico Caroni: pico.caroni@fmi.ch
Originalpublikation:
S. Krüttner, A. Falasconi, S. Valbuena, I. Galimberti, T. Bouwmeester, S. Arber, and P. Caroni Absence of familiarity triggers hallmarks of autism in mouse model through aberrant tail-of-striatum and prelimbic cortex signaling. Neuron (2022). Advance online publication
Weitere Informationen:
http://www.fmi.ch/news-events/articles/news.html?news=534 (Ausführlicher Text über die Studie auf Englisch)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch