Wie beim Sprechen Mikro-Tröpfchen entstehen: TU Freiberg klärt Grundlagen der Aerosol-Entstehung an den Stimmlippen



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08.12.2022 07:49

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Wie beim Sprechen Mikro-Tröpfchen entstehen: TU Freiberg klärt Grundlagen der Aerosol-Entstehung an den Stimmlippen

Sehr kleine ausgeatmete Tröpfchen, sogenannte Aerosol-Partikel, spielen eine bedeutende Rolle bei der Übertragung von Krankheitserregern wie dem Corona-Virus über die Luft. Wie genau die kleinen Tröpfchen im Kehlkopf beim Sprechen oder Singen entstehen, untersuchten Forschende im Fachgebiet Strömungsmechanik anhand eines Modells. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physics of Fluids berichtet das Team von den Ergebnissen. Die Erkenntnisse helfen nun, zielgerichtete Maßnahmen zu entwickeln, um Infektionsketten zu stoppen.

„Jeder Mensch verbreitet mit der ausgeatmeten Luft neben Gasen auch Aerosol-Partikel. Der Zusammenhang zwischen einer erhöhten Infektionsgefahr und Husten, Singen oder lautem Sprechen, lässt vermuten, dass bei diesen Tätigkeiten vermehrt Partikel ausgestoßen werden“, erklärt Prof. Rüdiger Schwarze, Experte für Strömungsmechanik an der TU Bergakademie Freiberg.

Wie und wo genau die Partikel im Kehlkopf entstehen, untersuchte das Team nun erstmals anhand eines Modells der menschlichen Stimmlippen. „Die Stimmlippen sind zum Schutz mit einer dünnen, gelförmigen Flüssigkeitsschicht, dem sogenannten Mukus, überzogen. Beim Sprechen werden sie durch die Kehlkopfmuskeln gespannt und mit der Ausatemströmung zum Schwingen gebracht. Je nach Anspannung und Luftstrom entstehen verschiedene Töne“, erklärt Erstautorin Lisa Fritzsche, die das verwendete Modell aus Plexiglas und Stimmlippen aus Silikon entwickelt hat.

Um realitätsnahe Eigenschaften der Silikon-Stimmlippen zu erhalten, wurden diese am Freiberger Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen (FILK Freiberg Institute gGmbH) oberflächenmodifiziert. Das Modell zeigt, wie der Mukus zwischen den schwingenden Stimmlippen einen Flüssigkeitsfilm bildet. Die ausgeatmete Luft formt aus dem Film eine Blase. Platzt diese Blase, entsteht eine Vielzahl von Tröpfchen, die mit dem Luftstrom in den Mund transportiert und dann als Aerosol ausgeatmet werden.

Detaillierte Messungen am Modell-Experiment

Mit hochauflösenden Kameras und einem speziellen optischen Aufbau konnten die Forschenden messen, wie unterschiedliche Schwingungen der Stimmlippen die Größenverteilung der Aerosol-Partikel beeinflussen. „Werden durch schnelle Schwingungen hohe Töne erzeugt, werden vor allem kleinere Aerosol-Partikel ausgeatmet, die etwa die Größe eines Staubkorns haben. Wird bei lauteren Tönen mehr Luft ausgeatmet, entstehen auch größere Aerosol-Partikel, die etwa so groß sind wie ein Sandkorn“, fasst Lisa Fritzsche zusammen.

Grundlage für gezielte Maßnahmen, die Infektionsketten durchbrechen

Die Ergebnisse zeigen, welche Mechanismen für die Ausbildung der Aerosole an den Stimmlippen verantwortlich sind und wie Sprechlautstärke und Tonhöhe die Größen der Tröpfchen beeinflussen. „Was wir nun also weiter untersuchen müssen, sind die Eigenschaften des Mukus und wie diese mit der Größe der ausgeatmeten Aerosol-Partikel zusammenhängen“, sagt Prof. Rüdiger Schwarze. Könnte der Mukus einer infizierten Person künftig beispielsweise durch Medikamente gezielt beeinflusst werden, ließe sich das Ansteckungsrisiko für Kontaktpersonen senken. In weiteren Studien will das Team außerdem den weiteren Weg der Aerosole im Rachenraum genauer untersuchen.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Rüdiger Schwarze, ruediger.schwarze@imfd.tu-freiberg.de


Originalpublikation:

Lisa Fritzsche, Ruediger Schwarze, Frauke Junghans, Katrin Bauer: Toward unraveling the mechanisms of aerosol generation during phonation. Physics of Fluids (2022), https://doi.org/10.1063/5.0124944


Bilder

Abbildung des Versuchsaufbaus der Messung am Modell-Experiment.

Abbildung des Versuchsaufbaus der Messung am Modell-Experiment.
TU Bergakademie Freiberg
Grafik: TU Bergakademie Freiberg


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Maschinenbau, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW