Transparenz für Klinische Studien



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22.03.2023 13:20

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Transparenz für Klinische Studien

Klinische Studien sind das „Rückgrat der evidenzbasierten Medizin“: Hier werden neue Wirkstoffe und Behandlungen erstmals am Menschen getestet. Ihre Ergebnisse sind daher hochrelevant. Doch leider werden viele Ergebnisse klinischer Studien deutscher Hochschulen entweder gar nicht veröffentlicht oder sie sind nicht öffentlich zugänglich. Um dies zu ändern, haben Wissenschaftler*innen des BIH QUEST Center ein offen einsehbares Dashboard entwickelt. Es listet für 35 deutsche Universitäten auf, wie es um die Transparenz ihrer jeweiligen klinischen Studien steht. Hierfür wurden insgesamt 3.000 klinische Studien ausgewertet.

Ihr Vorgehen und ihre Ergebnisse haben sie nun – open access – in der Zeitschrift PLOS Medicine veröffentlicht.

In klinischen Studien wird überprüft, ob ein neues Verfahren oder Medikament sicher ist, wirksam und besser als bisherige Therapien. Ihre Ergebnisse sind daher hochrelevant: Erweist sich eine neue Substanz oder ein neues Verfahren als besser als die herkömmliche Herangehensweise, schließen sich in der Regel das Zulassungsverfahren und der Markteintritt an. Ist das nicht der Fall, gerät die neue Alternative dagegen oft in Vergessenheit.

Ein gutes Viertel der an Universitäten und Krankenhäusern in Deutschland durchgeführten klinischen Studien veröffentlicht auch viele Jahre nach Studienabschluss keine Ergebnisse – trotz vorhandener Transparenzregeln wie der Deklaration von Helsinki, der sich Ärzt*innen verpflichtet fühlen. Die Folge: Alle anderen Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen erfahren nicht, ob eine bestimmte medizinische Intervention bereits getestet wurde, oder ob sich womöglich eine zweite Auswertung der Studienergebnisse lohnen würde, weil sich darin ein Vorteil für eine Untergruppe von Patient*innen gezeigt hätte.

Daniel Strech, BIH Professor für Translationale Bioethik und stellvertretender Direktor des BIH QUEST Center, fand diese Situation unbefriedigend. „Patientinnen und Patienten haben sich zur Studienteilnahme bereit erklärt, um die Wissenschaft und die Medizin voranzubringen. Ihnen gegenüber besteht die Verpflichtung, Studienergebnisse zu veröffentlichen“, argumentiert er. „Außerdem ist es aus ethischer Sicht zumindest fragwürdig, Ergebnisse von Studien, die mit Steuermitteln bezahlt wurden, nicht offenzulegen.“

Transparenz von Studienergebnissen in einem öffentlichen Dashboard

Gemeinsam mit seinem Team vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) beschloss er, dieses Problem anzugehen. “Wir haben Informationen von etwa 3.000 Klinischen Studien gesammelt, die in einem von zwei etablierten Registern aufgeführt sind und von einer der 35 Universitätsklinika in Deutschland durchgeführt werden”, berichtet Delwen Franzen, Mitarbeiterin von Daniel Strech und Erstautorin der Arbeit. “Vor allen Dingen interessierten uns die Daten zur Transparenz: Hat der Studienleiter oder die Studienleiterin die Studienergebnisse veröffentlicht? Wurde die Studie vor Studienbeginn registriert? Wurde im Register auf die Veröffentlichung der Studienergebnisse hingewiesen? Waren die Ergebnisse öffentlich einsehbar?”

In einem Dashboard werden die Ergebnisse zu den verschiedenen Transparenzindikatoren nun für ganz Deutschland wie auch für die einzelnen Universitäten präsentiert. “Die letzten Jahre haben gezeigt, dass öffentliche Informationen zur Transparenz klinischer Studien einen großen Effekt haben können“, berichtet Daniel Strech. “Eine ebenfalls öffentlich einsehbare Internetseite, erstellt von Kolleg*innen der Universität Oxford, informiert seit 3 Jahren über die Transparenz von Arzneimittelstudien im dafür zuständigen europäischen Register. Dort lag die Charité weit abgeschlagen auf den hinteren Rängen. Nachdem wir uns mit dem Clinical Study Center der Charité besprochen haben, und dort ein Prozess zur Verbesserung gestartet wurde, konnte man einen regen Anstieg in der Transparenz beobachten: Die Charité liegt mit der Veröffentlichung der Ergebnisse von 97% ihrer Studien nun ganz vorne! Das hat uns sehr gefreut.”

Transparenz als Pfeiler evidenzbasierter Medizin

Denn erstaunlicherweise wissen die Universitätskliniken oft selbst nicht genau, wie viele ihrer Studien transparent registriert und veröffentlicht sind. Auch die Förderorganisationen kennen die Veröffentlichungsquote der von ihnen finanzierten Studien nicht. “Wir sind überzeugt, dass die Informationen, die unser Dashboard liefert, bei allen Universitätskliniken etwas zum Guten hin bewegen wird”, erklärt Delwen Franzen.

Das hat auch die Kolleg*innen im Ausland aufmerksam werden lassen. Verschiedene europäische und amerikanische Kolleg*innen wollen nun ähnliche Dashboards einführen, erzählt Daniel Strech: “Während meines Sabbaticals im letzten Jahr an der Stanford University konnte ich meine Kolleg*innen dort überzeugen, unser Konzept auch in den USA umzusetzen.” Dass sich die Veröffentlichung der Studienergebnisse lohnt, davon ist Daniel Strech überzeugt: “Die Klinischen Studien sind das Rückgrat der evidenzbasierten Medizin. Und Transparenz hält das Rückgrat gesund.”

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Weitere Informationen

Das Dashboard zur Transparenz von Klinischen Studien kann hier eingesehen werden: https://quest-cttd.bihealth.org/

Die Originalveröffentlichung: Delwen L. Franzen, Benjamin Gregory Carlisle, Maia Salholz-Hillel, Nico Riedel, Daniel Strech.: Institutional dashboards on clinical trial transparency for University Medical Centers: A case study; PLOS Medicine, DOI: 10.1371/journal.pmed.1004175.

Informationen zum QUEST Center finden Sie hier: https://www.bihealth.org/de/translation/innovationstreiber/quest-center

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Über das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)
Die Mission des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) ist die medizinische Translation: Erkenntnisse aus der biomedizinischen Forschung werden in neue Ansätze zur personalisierten Vorhersage, Prävention, Diagnostik und Therapie übertragen, umgekehrt führen Beobachtungen im klinischen Alltag zu neuen Forschungsideen. Ziel ist es, einen relevanten medizinischen Nutzen für Patient*innen und Bürger*innen zu erreichen. Dazu etabliert das BIH als Translationsforschungsbereich in der Charité ein umfassendes translationales Ökosystem, setzt auf ein organübergreifendes Verständnis von Gesundheit und Krankheit und fördert einen translationalen Kulturwandel in der biomedizinischen Forschung. Das BIH wurde 2013 gegründet und wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und zu zehn Prozent vom Land Berlin gefördert. Die Gründungsinstitutionen Charité – Universitätsmedizin Berlin und Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) waren bis 2020 eigenständige Gliedkörperschaften im BIH. Seit 2021 ist das BIH als so genannte dritte Säule in die Charité integriert, das MDC ist Privilegierter Partner des BIH.

Kontakt
Dr. Stefanie Seltmann
Leiterin Kommunikation
Berlin Institute of Health in der Charité (BIH)

+49 (0) 30 450 543019
stefanie.seltmann@bih-charite.de
www.bihealth.org


Originalpublikation:

http://dx.doi.org/10.1371/journal.pmed.1004175


Weitere Informationen:

https://www.bihealth.org/de/aktuell/transparenz-fuer-klinische-studien


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


 

Quelle: IDW