Wie das Herz altert

Wie das Herz altert


Teilen: 

16.12.2019 15:16

Wie das Herz altert

Alter gehört zu den größten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) haben nun erforscht, was tief im Herzen passiert, wenn es altert. Dafür haben sie in abertausenden alten und jungen Herzzellen untersucht, welche Gene in ihnen aktiv sind. Ihr Ergebnis: Im Alter verliert das Herz seinen hohen Organisationsgrad. Insbesondere Bindegewebszellen, die Fibroblasten, geraten zunehmend außer Kontrolle.

„Wir haben uns angeschaut, was im gesunden Herz passiert, wenn es unter standardisierten Bedingungen altert“, sagt Dr. Sascha Sauer vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin. Die Ergebnisse offenbaren, wo das alternde Herz besonders verletzlich ist und liefern damit auch eine mögliche Grundlage für neue therapeutische Ansatzpunkte.

Die Wissenschaftler setzten eine neue Methode ein, die Einzelzelltranskriptionsanalyse. Sie ermöglicht es, für jede Zelle gesondert zu analysieren, welche Gene in ihr abgelesen werden. Insgesamt rund 28.000 Herzzellen von jungen und alten Mäusen haben die Berliner Forscher zusammen mit der Arbeitsgruppe von Prof. Stefanie Dimmeler, Goethe Universität Frankfurt, auf diese Weise untersucht. Damit entstand ein umfassender Zellatlas der Genaktivität in alten Herzen von Säugetieren.

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Gene arbeiten nicht mehr so synchron

Die größten Unterschiede zwischen Jung und Alt waren bei Bindegewebszellen, den sogenannten Fibroblasten, zu beobachten. In Fibroblasten aus Herzen von jungen Mäusen waren in jeder Zelle jeweils Gene ähnlich aktiv. Bei den älteren Mäusen sah das von Zelle zu Zelle nicht mehr so einheitlich aus. „Betrachtet man wenige Zellen ist das Muster noch halbwegs in Ordnung“, berichtet Sauer. „Doch all die kleinen Abweichungen führen insgesamt dazu, dass die alten Zellen sich mehr und mehr unterscheiden und somit nicht mehr so gut zusammenarbeiten. Dadurch gerät das hochkomplexe System Herz etwas durcheinander.“

In der äußersten Schicht des Herzens, dem Epikard, fanden Sauer, Dimmeler und Kollegen in alten Herzen zudem eine Gruppe von Bindegewebszellen, in denen Gene aktiv waren, die zur Verkalkung führen. „Es ist zwar bekannt, dass im Alter die Gefäße zunehmend verkalken, aber dass im gesunden Herzen ein bestimmter Subtyp von alternden Fibroblasten dazu beiträgt, ist neu“, so Sauer.

Schlechter Einfluss

In alten Herzen senden Fibroblasten außerdem bestimmte Eiweiße, die sogenannten Serpine, an Endothelzellen aus. Diese Zellen kleiden die Blutgefäße von innen aus. Die Serpine bewirken, dass sich die Endothelzellen schlechter zusammenfinden, was negative Folgen für die Blutgefäßauskleidung haben kann. Setzten die Forscher Antikörper gegen die Serpine ein, konnten sie die negativen Effekte auf die Endothelzellen wieder rückgängig machen. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Zusammenspiel von Fibroblasten und Endothelzellen tatsächlich noch viel komplexer ist. Denn auch weitere für die Zellkommunikation zuständige Gene sind in alten Fibroblasten anders reguliert als in jungen.

Hohe Spezialisierung geht verloren

Bei den Herzmuskelzellen fanden die Forscher erst dann altersbedingte Unterschiede, als sie speziell nach Genen schauten, die für die Muskelkontraktion wichtig sind. Diese Gene verhielten sich in alten Herzmuskelzellen sehr variabel. Andere Gene, die zum Beispiel für Stoffwechselwege codieren und in allen Zellen identisch sind, waren in alten und jungen Herzmuskelzellen hingegen gleichermaßen aktiv. „Wenn man sich grob vorstellt, wie sich ein Organismus entwickelt, dann treten hoch spezialisierte Zellen eher später auf. Und was spät kommt, verliert man anscheinend wieder früh, beziehungsweise sind gerade die spät ausgeprägten Spezialisierungen sehr anfällig im Alter“, sagt Sauer.

Sauer und sein Team wollen nun herausfinden, wodurch die Genaktivität in den einzelnen Zellen im Alter so variabel wird. Dafür betrachten sie Marker auf der DNA, sogenannte Methylierungen, die darüber entscheiden, ob ein Gen abgelesen wird oder nicht.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Dr. Sascha Sauer, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), Sascha.Sauer@mdc-berlin.de


Originalpublikation:

Transcriptional heterogeneity of fibroblasts is a hallmark of the aging heart. Vidal R, Wagner JUG, Braeuning C, Fischer C, Patrick R, Tombor L, Muhly-Reinholz M, John D, Kliem M, Conrad T, Guimarães-Camboa N, Harvey R, Dimmeler S, Sauer S. JCI Insight. 2019 Nov 14;4(22). pii: 131092. DOI:10.1172/jci.insight.131092


Weitere Informationen:

https://dzhk.de/aktuelles/news/artikel/wie-das-herz-altert/


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW