20.08.2019 14:54
Wie Kälte Fruchtbarkeit und Lebensspanne erhöht
Kälte verzögert die Alterung der Keimbahn und verlängert die Fruchtbarkeit des Wurms C. elegans / Veröffentlichung in “Nature Metabolism”
Eine moderate Absenkung der Körpertemperatur kann zu einer deutlichen Verlängerung der Lebensdauer führen. Um den Alterungsprozess des gesamten Organismus bei Kälte zu verzögern, kommunizieren Stammzellen der Keimbahn mit dem Rest des Körpers über das Hormon Prostaglandin, wie David Vilchez und sein Team zeigen. Das Phänomen wurde zuerst bei wirbellosen Tieren wie Würmern beschrieben und später bei Fischen und Mäusen beobachtet. Obwohl von den Langlebigkeitseffekten durch Kälte ursprünglich vor über einem Jahrhundert schon berichtet wurde, ist über den Prozess wenig bekannt. „Neuronen erkennen und verarbeiten kalte Temperaturen, um die Alterung des Fortpflanzungssystems zu verzögern und damit die Fruchtbarkeit zu erhöhen”, berichtet David Vilchez vom Exzellenzcluster CECAD. Ihre neuen Forschungsergebnisse wurden in Nature Metabolism veröffentlicht.
Das wichtigste Ziel des Organismus ist es, die nächste Generation hervorzubringen und zu erhalten. Um dies zu gewährleisten, ist die Keimbahn besonders geschützt. Lebewesen nutzen den größten Teil ihrer Energieressourcen zum Schutz der Keimbahn, während weniger Energie in den Schutz von Muskeln, Neuronen, Darm und anderen somatischen Geweben fließt. Wenn die Keimbahn entfernt wird, leben Organismen daher viel länger, wie es bei Würmern und Fruchtfliegen der Fall ist. Unterschiedliche Signalwege, die die Lebensdauer verlängern, beeinflussen die Fruchtbarkeit.
In ihrer Studie konnten die Forscher erstmals zeigen, dass unter bestimmten Bedingungen, wie z.B. Kälte, beide Ziele – Langlebigkeit und Fruchtbarkeit – erreicht werden können, ohne eines davon zu opfern. Spezifische Neuronen nehmen niedrige Temperaturen wahr und kommunizieren mit den Stammzellen der Keimbahn, die das Fortpflanzungssystem verjüngen, erklärt David Vilchez: “Sie sagen: Altere nicht, alles ist in Ordnung, du kannst weiterhin neue Keimbahnstammzellen erzeugen.” Dann setzen die Stammzellen das Hormon Prostaglandin E2 frei, um die Funktion der Proteine im Körpergewebe zu erhalten. Darüber hinaus erhöht Prostaglandin E2 den Gehalt an einem Protein namens cbs-1 im Darm. Dieses Protein produziert das Gas Schwefelwasserstoff – eine Substanz, von der bekannt ist, dass sie die Neurodegeneration verhindert und die Langlebigkeit in zahlreichen Organismen, einschließlich Säugetieren, verlängert. “Hohe Konzentrationen dieser Substanz könnten Sie töten – aber bestimmte physiologische Konzentrationen lassen die Würmer und andere Organismen länger leben”, so die an der Studie beteiligten Forschenden Hyun Ju Lee und Alireza Noormohammadi, Forscher, die an dieser Studie beteiligt sind. Häufig führen Mechanismen, die die Lebensdauer verlängern, zu ungesund aussehenden Würmern, die weniger Eier legen und sich kaum bewegen. “Das war hier nicht der Fall. Unsere Würmer lebten lange und wuchsen”, fügt David Vilchez hinzu. Wichtig war, dass die Forscher feststellten, dass die Erhöhung des Schwefelwasserstoffs allein im Darm ausreicht, um die Lebensdauer auch bei hohen Temperaturen zu verlängern.
Die neuen Erkenntnisse relativieren das Altern, wie Vilchez sagt: “Das Altern ist nicht nur ein zufälliger Prozess, in dem sich DNA-Schäden, toxische Proteine oder anderes ansammeln, sondern ein regulierter Prozess. Unsere Ergebnisse liefern einen Beweis für Regulationssysteme, die sowohl die Keimbahn als auch die somatische Fitness fördern, ohne auf Fruchtbarkeit oder Lebensdauer verzichten zu müssen”, fasst David Vilchez zusammen.
Inhaltlicher Kontakt:
Dr. David Vilchez
Cluster of Excellence CECAD
dvilchez@uni-koeln.de
0221 478 84172
Presse und Kommunication:
Peter Kohl
pkohl@uni-koeln.de
0221 478 84043
Original Publikation:
Prostaglandin signals from adult germ stem cells delay somatic aging of C. elegans
Hyun Ju Lee, Alireza Noormohammadi, Seda Koyuncu, Giuseppe Calculli, Milos Simic, Marija Herholz, Aleksandra Trifunovic, David Vilchez
Nature Metabolism, DOI: https://doi.org/10.1038/s42255-019-0097-9
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
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