Enzyminhibitor verlangsamt Tumorwachstum



Teilen: 

21.09.2022 13:30

Enzyminhibitor verlangsamt Tumorwachstum

Forschungsteam der Universität Jena entdeckt neuartigen Ansatz zur Behandlung bestimmter B-Zell-Lymphome

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Einen neuartigen Therapieansatz zur Behandlung bösartiger Tumore des Lymphsystems hat ein Forschungsteam der Friedrich-Schiller-Universität Jena gemeinsam mit Forschenden des Universitätsklinikums Mainz, der Universität Regensburg und des IRCM in Montreal (Kanada) entdeckt. Wie das Team um PD Dr. Christian Kosan vom Institut für Biochemie und Biophysik zeigt, führt die Behandlung bestimmter B-Zell-Lymphome mit dem Enzym-Inhibitor „Marbostat 100“ zu einem deutlich verlangsamten Wachstum der Tumorzellen. Ihre Ergebnisse stellen die Forschenden in der renommierten Fachzeitschrift „Oncogene“ vor (https://doi.org/10.1038/s41388-022-02450-3).

B-Zell-Lymphome sind Tumore bestimmter Immunzellen (B-Lymphozyten). Diese zu den weißen Blutkörperchen gehörenden Zellen produzieren normalerweise Antikörper und sind für eine effektive Immunabwehr des Körpers unerlässlich. Verwandeln sich B-Lymphozyten in Tumorzellen ist häufig ein bestimmtes Gen mit Namen „MYC“ beteiligt, sagt Christian Kosan. „Dieses Gen regt die Zellen zunächst dazu an, schneller zu wachsen und sich zu teilen, was zu weiteren Mutationen und so letztlich zur Tumorbildung führen kann.“

Transkriptionsfaktor „Myc“ spielt eine zentrale Rolle bei der Tumorgenese

Das von „MYC“ kodierte Eiweiß „Myc“ ist ein sogenannter Transkriptionsfaktor. „Dieser bindet an die DNA einer Zelle und reguliert so die Aktivität seiner Zielgene“, erläutert Kosan, der „Myc“ und seine Funktionen bereits seit längerem erforscht. Eine Vielzahl menschlicher Gene werden von „Myc“ direkt oder indirekt reguliert. In Tumoren, wie aggressiven B-Zell-Lymphomen, ist die Menge an „Myc“ stark erhöht. „Unser Ziel war es daher, die Funktion von ,Myc‘ gezielt zu blockieren und so die beschleunigte Zellteilung der Tumorzellen herunterzuregulieren“, so Christian Kosan. Da das „Myc“-Eiweiß selbst für Wirkstoffe nur schwer zugänglich ist – es ist relativ klein und bietet auf der Oberfläche nur wenige spezifische Andockstellen für andere Moleküle – nutzten die Forschenden einen Umweg: Sie steuerten „Myc“ nicht direkt an, sondern ein Enzym, das mit „Myc“ interagiert und dessen Funktion reguliert.

In der nun vorgelegten Arbeit konnte das Team um Christian Kosan zeigen, dass die spezifische Hemmung dieses Enzyms (Histon-Deacetylase 6) zu einem signifikanten Absinken der „Myc“-Konzentration in den Tumorzellen führt. Die Forschenden haben dafür menschliche B-Zell-Lymphom-Zelllinien mit dem Enzyminhibitor „Marbostat 100“ behandelt und festgestellt, dass vier von fünf Tumorzelllinien absterben. „Außerdem konnten wir zeigen, dass das „Myc“-Eiweiß in Abhängigkeit von Konzentration und Behandlungszeitraum des Enzyminhibitors in den Tumorzellen abgebaut wird“, so Kosan. Und mehr noch: In Versuchen mit Mäusen, die aufgrund einer besonderen Mutation B-Zell-Lymphome entwickeln und versterben, führte eine Behandlung mit „Marbostat 100“ zu einer deutlich höheren Lebenserwartung. Von 15 tumorerkrankten Tieren haben 14 den gesamten Untersuchungszeitraum überlebt.

Kombinationstherapie zur Behandlung aggressiver Tumoren

Christian Kosan und seine Kolleginnen und Kollegen wollen die neu gewonnenen Erkenntnisse nun auch auf andere Tumorarten übertragen. „Wir wissen bereits, dass ,Myc‘ nicht nur bei B-Zell-Lymphomen, sondern auch bei vielen anderen Krebsarten eine Rolle spielt.“ Daher wollen die Forschenden untersuchen, ob der Einsatz von „Marbostat 100“ auch zur Behandlung anderer Tumorzellen geeignet sein könnte. Langfristiges Ziel sei es, eine Kombinationstherapie zur Behandlung aggressiver Krebsarten zu entwickeln. Bisher werden B-Zell-Lymphome mit aggressiven Chemotherapeutika behandelt, die aber meist ebenso starke Nebenwirkungen haben. „Wir wollen versuchen, durch Therapeutika wie den Enzyminhibitor „Marbostat 100“, das Tumorwachstum so zu verlangsamen, dass die Chemotherapeutika in geringerer Dosierung oder über einen kürzeren Zeitraum verabreicht werden können und damit auch geringere Nebenwirkungen zu erwarten sind“, sagt Christian Kosan.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

PD Dr. Christian Kosan
Institut für Biochemie und Biophysik der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Center for Molecular Biomedicine (CMB)
Hans-Knöll-Str. 2, 07745 Jena
Tel.: 03641 / 949368
E-Mail: christian.kosan@uni-jena.de


Originalpublikation:

Winkler, R., Mägdefrau, AS., Piskor, EM. et al. Targeting the MYC interaction network in B-cell lymphoma via histone deacetylase 6 inhibition. Oncogene (2022). https://doi.org/10.1038/s41388-022-02450-3


Bilder

PD Dr. Christian Kosan von der Universiträt Jena untersucht Proteine nach Auftrennung in einer Elektrophorese. Er und sein Team haben einen neuartigen Therapieansatz zur Behandlung bösartiger Tumore des Lymphsystems entdeckt.

PD Dr. Christian Kosan von der Universiträt Jena untersucht Proteine nach Auftrennung in einer Elekt
Foto: Jens Meyer/Uni Jena

Doktorandin Eva-Maria Piskor ist Mitautorin der Studie. Hier pipettiert sie Proben für einen Western-Blot.

Doktorandin Eva-Maria Piskor ist Mitautorin der Studie. Hier pipettiert sie Proben für einen Western
Foto: Jens Meyer/Uni Jena


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW