Gleich und doch anders: Wie Wiederholungen von Umweltreizen im Gehirn verarbeitet werden



Teilen: 

21.12.2022 09:47

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Gleich und doch anders: Wie Wiederholungen von Umweltreizen im Gehirn verarbeitet werden

In unserem Alltag sind wir permanent von verschiedenen visuellen und akustischen Reizen umgeben. Und viele davon wiederholen sich ständig. Nach einer Weile gewöhnen wir uns an sie, und unser Gehirn verarbeitet dann die gleichen Töne oder Bilder etwas anders. Die Arbeitsgruppe um Dr. Stefan Dürschmid vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) Magdeburg konnte zeigen, dass im menschlichen Kortex unterschiedliche Netzwerke dafür zuständig sind, entweder die Antworten auf Umweltreize selbst oder die Anzahl der Wiederholungen dieser Umweltreize zu repräsentieren. Die Studie ist im Fachmagazin Communications Biology erschienen.

Sehen wir ein Bild oder hören wir einen Ton, dann antwortet unser Gehirn quasi automatisch auf diesen Reiz aus der Umwelt – ob wir wollen oder nicht. Neurowissenschaftler Stefan Dürschmid erklärt: „Wenn sich Bilder oder Töne mehrmals wiederholen, werden die Gehirnantworten reduziert und gleichzeitig sind die Umweltreize vorhersagbar. Dieses Phänomen kann beispielsweise durch einen passiven Prozess wie die Adaptation, aber auch durch verbesserte Vorhersagen und somit weniger Vorhersagefehler erklärt werden.“

Reduzierte Gehirnantworten gehen häufig mit schlechterer Wahrnehmung einher. Die Wiederholung von Reizen führt aber eher zu einer verbesserten Wahrnehmung. Wie kann dieser offensichtliche Wiederspruch erklärt werden? „Wir nutzen für die Beantwortung dieses Rätsels subdurale elektrokortikographische Elektroden mit einer sehr hohen räumlichen Auflösung. Mit einem akustischen Test konnten wir zeigen, dass es unterschiedliche Netzwerke einerseits für die Wahrnehmung und andererseits für das Lernen von Häufigkeiten von Umweltinformation im menschlichen Kortex gibt“, so Dürschmid.

In der Untersuchung haben insgesamt zehn Personen in San Francisco und Bielefeld eine Reihe von gleichen Aufgaben-irrelevanten Tönen gehört, die ab und zu von anderen abweichenden Tönen unterbrochen wurden. Das Team um Dürschmid fand durch Ableitung der neuronalen Aktivität direkt aus der Großhirnrinde distinkte Kortexbereiche, die mit einer Modulation hochfrequenter Aktivität auf die Reize reagierten, und das unabhängig davon, wie oft die Reize wiederholt wurden. Andere benachbarte Kortexbereiche zeigten keine Antwort auf die Töne; ihre hochfrequente Aktivität reduzierte sich jedoch mit der Reizwiederholung.

Dürschmid fasst zusammen: „Wir haben gesehen, dass die Netzwerke, die auf die Töne selbst antworten, von Theta-Aktivität moduliert werden, und in jenen Netzwerken, die die Wiederholung erfassen, dominiert Beta-Aktivität. Dabei fanden wir heraus, dass diese beiden Grundschwingungen gekoppelt sind und somit Information zwischen den Netzwerken ausgetauscht werden.“

Diese Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die hochfrequente Hirnaktivität der Stimulus-detektierenden Netzwerke eine stabile und schnelle Wahrnehmung von Umweltreizen über längere Zeitintervalle hinweg ermöglicht, während die Wiederholungs-sensitiven Netzwerke ein internes Modell der Umwelt auf der Grundlage der Reiz-Historie unterstützen, um besser vorhersagen zu können, welche Reize als nächstes folgen werden.


Originalpublikation:

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36064744/


Bilder

Die Noten stellen das untersuchte Paradigma dar: Die ersten Töne werden in anderen Bereichen des Gehirns verarbeitet als spätere, wiederholte Töne.

Die Noten stellen das untersuchte Paradigma dar: Die ersten Töne werden in anderen Bereichen des Geh
Stefan Dürschmid
LIN


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW