Moral oder Moneten? Wie wir soziale Entscheidungen treffen



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06.02.2019 10:00

Moral oder Moneten? Wie wir soziale Entscheidungen treffen

Wertvorstellungen prägen unser Handeln. Allerdings kommen uns finanzielle Anreize dabei oft in die Quere. In einer neuen Studie haben Neuroökonomen der Universität Zürich untersucht, wo im Gehirn moralische und materielle Motive gegeneinander abgewogen werden. Sie zeigen, dass wir uns sozialer verhalten, wenn dieser Abwägungsprozess unterbunden wird.

Spenden wir Geld an eine Wohltätigkeitsorganisation oder übernehmen ehrenamtliche Aufgaben, stellen wir die Bedürfnisse anderer vor unsere eigenen und verzichten zugunsten moralischer Werte auf materielle Eigeninteressen. Als Beweggründe für solches Handeln beschreiben Studien unter anderem eine grundsätzliche Bereitschaft, anderen zu helfen, die Absicht, mit grosszügigem Verhalten die eigene Reputation zu verbessern, oder die Fähigkeit, die moralischen und materiellen Konsequenzen möglicher Handlungen zu berücksichtigen.

Spendeverhalten unter elektromagnetischer Stimulation

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Ein Forschungsteam um UZH-Professor Christian Ruff vom Zentrum für Neuroökonomie untersuchte nun die neurobiologischen Grundlagen altruistischer Verhaltensweisen. Dabei konzentrierten sich die Wissenschaftler auf den rechten temporoparietalen Kortex – eine Hirnregion, der eine Schlüsselrolle bei der Steuerung sozialer Entscheidungen zugesprochen wird. In einem Versuch mussten die Teilnehmenden entscheiden, ob und in welcher Höhe sie Geld an unterschiedliche Organisationen spenden wollten. Dabei stimulierten die Forscher den rechten temporoparietalen Kortex elektromagnetisch, um festzustellen, welcher der drei genannten Beweggründe – grundsätzliche Hilfsbereitschaft, Reputationsüberlegungen oder das Abwägen von moralischen und materiellen Motiven – in diesem Gehirnareal angelegt ist.

Gedankliches Abwägen bringt uns vom moralischen Weg ab

Es zeigte sich, dass die Studienteilnehmer grundsätzlich dazu tendierten, gute Zwecke zu unterstützen und schlechte Zwecke abzulehnen. War der finanzielle Anreiz jedoch genügend gross, gingen sie von altruistischem zu egoistischem Verhalten über. Länger standhaft – und somit moralischer – blieben die Probanden, wenn die Forscher die Aktivität des rechten temporoparietalen Kortex mittels elektromagnetischer Stimulation senkten.

«Wird dem Gehirn die Fähigkeit genommen, eigene Wertvorstellungen und finanzielle Anreize gegeneinander abzuwägen, halten Menschen offenbar eher an ihren moralischen Überzeugungen fest», erläutert Christian Ruff das Resultat. «Selbst höhere finanzielle Anreize haben dann weniger Einfluss.» Für den Neuroökonomen eine interessante Erkenntnis, denn: «Grundsätzlich wäre es auch denkbar, dass Menschen intuitiv finanzielle Interessen verfolgen und sich erst aufgrund ihrer Abwägungen für den altruistischen Weg entscheiden.»

Hirnareal vermittelt bei Interessenskonflikten

Wussten die Studienteilnehmenden, dass ihre Entscheidungen beobachtet wurden, handelten sie sozialer, als wenn sie im Geheimen entscheiden konnten. Auf diese Überlegungen zur eigenen Reputation hatte die elektromagnetische Stimulation der untersuchten Hirnregion keinen Einfluss, ebensowenig wie auf die grundsätzliche Motivation, sich hilfsbereit zu verhalten. Daraus folgern die Autoren, dass der rechte temporoparietale Kortex nicht Sitz altruistischer Motive an sich ist, sondern uns die Fähigkeit vermittelt, moralische und materielle Werte gegeneinander abzuwägen.

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Experimentelle Anordnung
Die Studienteilnehmer erhielten Geld und die Möglichkeit, eine variable Summe davon zu spenden: einerseits für eine karitative Organisation und andererseits für eine Organisation, die den Einsatz von Schusswaffen unterstützt. Im ersten Fall ging die Spende voll zu ihren Lasten, im zweiten Fall erhielten sie im Gegenzug eine finanzielle Belohnung. Ein Teil der Entscheidungen wurde von anderen Teilnehmern beobachtet, ein Teil davon lief im Geheimen ab.

Die Forscher analysierten auf dieser Basis das Entscheidungsverhalten und bestimmten die finanziellen Schwellenwerte, ab denen die Teilnehmer von altruistischem Verhalten zu egoistischem übergingen. Ihre Ergebnisse verglichen sie mit einem Setting, in dem der rechte temporoparietalen Übergang (rTPJ) im Gehirn elektromagnetisch stimuliert wurde.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Christian Ruff
Institut für Volkswirtschaftslehre
Universität Zürich
Tel: +41 44 634 50 67
E-Mail: christian.ruff@econ.uzh.ch


Originalpublikation:

Ignacio Obeso, Marius Moisa, Christian C. Ruff, Jean-Claude Dreher. A causal role for right temporo-parietal junction in signaling moral conflict. eLife, 18 December 2018. DOI: 10.7554/eLife.40671


Weitere Informationen:

https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2019/Moral.html


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Gesellschaft, Medizin, Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


Quelle: IDW