16.07.2019 17:18
Neuer Therapieansatz zur Behandlung von Fisteln
Als erste Klinik in der Schweiz wendet das Universitätsspital Zürich (USZ) eine innovative Therapie zur Behandlung von Analfisteln an. Im Labor gezüchtete Stammzellen werden ins Gewebe gespritzt, um die Abheilung von Fisteln zu fördern.
Patientinnen und Patienten mit Analfisteln haben häufig einen langen Leidensweg. Analfisteln sind krankhafte Gänge, die den Analkanal mit der Körperoberfläche am After verbinden. In diesen Kanälen sammeln sich Stuhl und Sekrete an. Es kommt zu eitrigen Entzündungen, die starke Schmerzen insbesondere beim Sitzen und beim Stuhlgang verursachen. Zusätzlich haben Fisteln an dieser Körperstelle einen grossen Einfluss auf die Lebensqualität der meist jungen Patientinnen und Patienten – auch aufgrund der Geruchsbildung und Beeinträchtigungen im Sexualleben.
Rund ein Drittel der Patientinnen und Patienten mit Analfisteln leidet gleichzeitig unter Morbus Crohn, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, die starke Bauchschmerzen, Durchfall und Gewichtsverlust verursacht. Dieser Patientengruppe kommt aus medizinischer Sicht eine spezielle Bedeutung zu, da aufgrund der Grunderkrankung Analfisteln ausgebildet werden und chronische Entzündungen die Heilung oft verhindern. Die Betroffenen müssen sich wiederholt mit Medikamenten oder mit operativen Eingriffen behandeln lassen, wobei die notwendigen Operationen teilweise entstellende Vernarbungen verursachen. Die Erfolgschancen dieser Patientinnen und Patienten mit den heutigen Therapiemöglichkeiten sind vergleichsweise gering.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Injektionen von Spenderzellen
«Bei der neuen hochspezialisierten Therapie für diese Patientinnen und Patienten spritzen wir Stammzellen, die aus dem Fettgewebe von Spenderinnen und Spendern gewonnen werden, ins Gewebe, das die Fisteln umgibt», sagt Prof. Matthias Turina, Leitender Arzt an der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie am USZ. Bei diesem 40-minütigen ambulanten Eingriff in Narkose verabreichen die Viszeralchirurgen den Patientinnen und Patienten vier Injektionen des Stammzell-Medikamentes, welche insgesamt 120 Millionen Zellen enthalten. Die Stammzellen senden Botenstoffe in das umliegende Gewebe aus, die die Entzündung hemmen und das Immunsystem unterstützen. Bei einer erfolgreichen Therapie entsteht dadurch neues Gewebe und die Fisteln heilen ab.
Transport im Handgepäck
Hergestellt wird das Stammzell-Produkt in Spanien. Während zwei Wochen werden die gespendeten Zellen im Labor gezüchtet und aufbereitet. Nach Fertigstellung der Stammzelllösung muss diese innerhalb von 48 Stunden verabreicht werden. Der Transport der Stammzellen nach Zürich ist eine logistische Herausforderung: Während des Transports müssen die Zellen bei konstanter Temperatur gekühlt werden und dürfen während des Fluges nicht geschüttelt werden. Zu starke Bewegungen würden die Zellen sofort zerstören. Ein Kurier nimmt deshalb die kostbare Fracht im Handgepäck mit ins Flugzeug, was entsprechende Bewilligungen und Papiere erfordert.
Fünf Patienten erfolgreich behandelt
Im Februar 2019 konnte das USZ diese Therapie als erstes Spital in der Schweiz durchführen. «Seither haben wir fünf Patienten mit der neuen Methode behandelt. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend», erklärt Dr. Daniela Cabalzar-Wondberg, Oberärztin im Team von Prof. Matthias Turina. «Sie zeigen in der Mehrzahl der Fälle eine schnelle Heilung der Wunden und einen damit verbundenen raschen Rückgang der Beschwerden». Im Ausland wird die Therapie bereits seit 2018 angewendet. In der Schweiz liegt die Bewilligung der Swissmedic seit Anfang dieses Jahres vor. Zugelassen ist die Behandlung für Patientinnen und Patienten, die an Morbus Crohn erkrankt sind, an komplexen Analfisteln leiden und unzureichend auf eine medikamentöse Therapie angesprochen haben. Begleitstudien zeigen, dass die Therapie die Chance einer Abheilung der Analfisteln auf über 50 Prozent erhöht.
Am USZ kümmern sich Experten unterschiedlicher Disziplinen um diese Patientinnen und Patienten mit Morbus Crohn. Die erste Anlaufstelle ist die Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie. Direktor Prof. Gerhard Rogler freut sich über die neuen Möglichkeiten: «Mit dieser innovativen Therapie können wir die Lebensqualität vieler von Analfisteln geplagten Patientinnen und Patienten massiv verbessern».
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Matthias Turina, Leitender Arzt, Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie
Dr. Daniela Cabalzar-Wondberg, Oberärztin, Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie
Prof. Gerhard Rogler, Direktor Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
PD Dr. Luc Biedermann, Leitender Arzt, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie
Originalpublikation:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27477896
Merkmale dieser Pressemitteilung:
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