Proteinforschung: Wie Licht Gehirnaktivitäten anstoßen kann



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23.04.2019 10:38

Proteinforschung: Wie Licht Gehirnaktivitäten anstoßen kann

Die Optogenetik erlaubt es, Gehirnprozesse mit Licht zu steuern. Sie beruht auf der Nutzung lichtgesteuerter Proteine wie dem Channelrhodopsin-2, einem Ionenkanal, der sich bei Lichteinwirkung öffnet und damit zelluläre Prozesse aktivieren kann. Seine Arbeitsweise haben Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) gemeinsam mit Kollegen von der Humboldt-Universität zu Berlin nun im Detail aufgeklärt.

Das Team um Prof. Dr. Klaus Gerwert und Prof. Dr. Peter Hegemann berichtet in der Fachzeitschrift PNAS vom 19. April 2019.

Großes therapeutisches Potenzial

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

In der Optogenetik sehen Forscherinnen und Forscher ein großes therapeutisches Potenzial. „Man kann sich vorstellen, dass Blinde damit wieder sehen könnten, oder dass es gelingt, die Schüttellähmung bei Parkinson mittels Licht zu behandeln“, erklärt Klaus Gerwert.

Das von Peter Hegemann entdeckte Channelrhodopsin-2 ist das zentrale lichtaktivierbare Protein in der Optogenetik. Stattet man Nervenzellen mit diesem Ionenkanal aus, kann man die Kanäle durch Lichteinstrahlung öffnen und damit Gehirnaktivitäten gezielt steuern.

Allerdings gab es bislang widersprüchliche Vorstellungen davon, wie sich der Kanal im Detail öffnet. „Aber gerade das Verständnis der molekularen Reaktionen im Protein und der resultierenden Ionenleitung ist essenziell, um das Protein für seine möglichen Anwendungen gezielt zu optimieren“, sagt Gerwert.

Zwei parallele Wege

Gemeinsam konnten die Bochumer und Berliner Forscher die Details der Kanalöffnung nun enträtseln. Die Kombination von zeitaufgelöster Fourier-Transform-Infrarot-Spektroskopie, biomolekularen Simulationen und elektrophysiologischen Experimenten zeigte, dass durch Lichtanregung nicht nur wie bisher angenommen eine, sondern zwei unterschiedliche Strukturen angeregt werden. Eine führt dabei zu der gewünschten Kanalöffnung, die in der Optogenetik genutzt wird. Der parallele Weg liefert nur einen schwachen Protonenstrom, gewinnt aber bei längerer Belichtung die Oberhand und unterdrückt die gewünschte Kanalöffnung. Dadurch nimmt die Effektivität des optogenetischen Werkzeugs nach kurzer Zeit stark ab. „Wenn wir den unerwünschten Parallelweg durch gezieltes Proteindesign blockieren, können wir das optogenetische Werkzeug also entscheidend verbessern“, folgert Gerwert.

Bei der Arbeit am Channelrhodopsin profitierten die Bochumer Forscher von ihren umfangreichen Erfahrungen mit dem Mechanismus der lichtgetriebenen Protonenpumpe Bakteriorhodopsin, den sie vor Jahren im Detail aufklärten konnten. „Wie beim Bakteriorhodopsin spielen proteingebundene Wassermoleküle eine zentrale Rolle für die Protonenleitung“, erklärt Klaus Gerwert.

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Schwerpunktprogramms 1926 und des Sonderforschungsbereichs 1078 sowie im Exzellenzcluster Unifying Concepts in Catalysis und durch die Berlin International Graduate School of Natural Science and Engineering.

Originalveröffentlichung

Jens Kuhne, Johannes Vierock, Stefan Alexander Tennigkeit, Max-Aylmer Dreier, Jonas Wietek, Dennis Petersen, Konstantin Gavriljuk, Samir F. El-Mashtoly, Peter Hegemann, Klaus Gerwert: Unifying photocycle model for light adaptation and temporal evolution of cation conductance in channelrhodopsin-2, in: PNAS, 2019, DOI: 10.1073/pnas.1818707116

Pressekontakt

Prof. Dr. Klaus Gerwert
Lehrstuhl Biophysik
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 24461
E-Mail: gerwert@bph.rub.de


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Klaus Gerwert
Lehrstuhl Biophysik
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 24461
E-Mail: gerwert@bph.rub.de


Originalpublikation:

Jens Kuhne, Johannes Vierock, Stefan Alexander Tennigkeit, Max-Aylmer Dreier, Jonas Wietek, Dennis Petersen, Konstantin Gavriljuk, Samir F. El-Mashtoly, Peter Hegemann, Klaus Gerwert: Unifying photocycle model for light adaptation and temporal evolution of cation conductance in channelrhodopsin-2, in: PNAS, 2019, DOI: 10.1073/pnas.1818707116


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


Quelle: IDW