16.08.2019 12:06
Risiko Lebendimpfstoff – Worauf Rheumapatienten bei Impfungen achten müssen
Impfungen sind für Rheuma-Patienten besonders wichtig, weil die Krankheit selbst und deren Behandlung die Immunabwehr gegen Bakterien und Viren schwächen. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) begrüßt deshalb, dass ein Expertenteam auf Initiative der Ständigen Impfkommission (STIKO) Anwendungshinweise für Menschen mit Autoimmunerkrankungen veröffentlicht hat, zu denen auch Rheuma und andere chronisch-entzündliche Erkrankungen gehören.
Bei rheumatischen Erkrankungen befindet sich das Immunsystem in ständiger Alarmbereitschaft. „Die Entzündung bindet Ressourcen, die bei der Abwehr von Krankheitserregern fehlen können“, erläutert der Präsident der DGRh Professor Hendrik Schulze-Koops, der am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München tätig ist. Menschen mit Rheuma erkranken deshalb doppelt so häufig an viralen oder bakteriellen Infektionen wie andere Menschen.
Die Experten raten den Patienten deshalb, an allen von der STIKO empfohlenen Impfungen teilzunehmen. Das gilt nicht nur für ältere Patienten mit rheumatoider Arthritis oder Psoriasis-Arthritis. Auch jüngere Menschen, zum Beispiel mit Morbus Bechterew, sollten darauf achten, dass sie alle für Kinder und Jugendliche vorgesehenen Impfungen erhalten haben.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
„Das Problem ist, dass die Wirkung einer Impfung auf ein intaktes Immunsystem angewiesen ist“, sagt Professor Schulze-Koops. „Es muss die Antikörper bilden, die später vor einer Infektion schützen.“ Diese Voraussetzung ist bei rheumatischen Erkrankungen nicht immer gegeben und der Impferfolg somit gefährdet. Noch schwieriger wird es, wenn die Patienten mit Medikamenten behandelt werden, die das Immunsystem bremsen. Solche Immunsuppressiva sind heute ein Grundpfeiler der Behandlung. Die meisten Patienten erhalten Basistherapeutika wie Methotrexat (MTX), die das Fortschreiten der Gelenkzerstörung verhindern. Bei einem Krankheitsschub sind häufig Steroide notwendig.
Ob Patienten, die mit Immunsuppressiva behandelt werden, geimpft werden dürfen, hängt in erster Linie vom Impfstoff ab. Die meisten enthalten abgetötete Erreger. Es gibt Totimpfstoffe zum Beispiel gegen Pneumokokken, Hepatitis B, Meningokokken, Herpes zoster (Gürtelrose) und humane Papillomaviren (HPV). Auch der Grippeimpfstoff (gegen Influenza-Viren) zählt dazu, mit Ausnahme des Impf-Nasensprays, das eigentlich nur bei Kindern eingesetzt wird. Totimpfstoffe können nach Einschätzung der Experten bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen meist bedenkenlos eingesetzt werden.
„Bei einigen stark wirkenden Immunsuppressiva kann die Fähigkeit des Immunsystems zur Antikörperbildung jedoch soweit eingeschränkt sein, dass keine Schutzwirkung erzielt wird“, gibt Professor Schulze-Koops zu bedenken. Dazu gehören vor allem Biologika wie Rituximab oder Abatacept. Die Experten raten deshalb, die Impfungen vor Behandlungsbeginn durchzuführen.
Vorsicht geboten ist beim Einsatz von Lebendimpfstoffen, die abgeschwächte Krankheitserreger enthalten. „Das Immunsystem gesunder Menschen kommt damit gut zurecht“, sagt Professor Schulze-Koops: „Bei abwehrgeschwächten Menschen kann es jedoch zu einer Infektion kommen.“ Mit Lebendimpfstoffen wird heute gegen Masern-Mumps-Röteln (MMR-Impfung), gegen Gelbfieber und gegen Rotaviren geimpft. Der ältere Zosterimpfstoff wurde kürzlich durch einen Totimpfstoff abgelöst. Diese Impfungen erfolgen in den ersten Lebensjahren und sind in der Regel abgeschlossen, wenn entzündlich-rheumatische Erkrankungen auftreten. Einen guten Impfschutz benötigen übrigens nicht nur die Patienten selbst. Die Experten raten auch deren Angehörigen zur Impfung, um die Gefahr einer Übertragung zu minimieren.
Bei Abdruck Beleg erbeten.
Quelle:
Norbert Wagner, Frauke Assmus et al.: Impfen bei Immundefizienz. Anwendungshinweise zu den von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen. (IV) Impfen bei Autoimmunkrankheiten, bei anderen chronisch-entzündlichen Erkrankungen und unter immunmodulatorischer Therapie. Bundesgesundheitsbl 2019, 62:494–515
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Terminhinweise:
47. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Termin: 4. bis 7. September 2019, 12.00 bis 13.00 Uhr
Ort: Internationales Congress Center Dresden, Ostra-Ufer 2, 01067 Dresden
Symposium Impfungen im Rahmen des Kongresses
Termin: Freitag, 6. September 2019, 16.45 bis 18.15 Uhr
Referenten: Professor Dr. med. Michael Borte, Leipzig; Professor Dr. med. Hanns-Martin Lorenz, Heidelberg
Vorab-Pressekonferenz anlässlich
des 47. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Termin: Donnerstag, 29. August 2019, 11 bis 12 Uhr
Ort: Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz, Raum 4
Anschrift: Schiffbauerdamm 40/Ecke Reinhardtstraße 55, 10117 Berlin
Kongress-Pressekonferenz anlässlich
des 47. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
Termin: Donnerstag, 5. September 2019, 12.00 bis 13.00 Uhr
Ort: Internationales Congress Center Dresden, Seminarraum 7
Adresse: Ostra-Ufer 2, 01067 Dresden
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Vorab-Pressekonferenz anlässlich
des 47. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
der 33. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh)
der 29. Jahrestagung der Gesellschaft für Kinder- und Jugendrheumatologie (GKJR)
Termin: Donnerstag, 29. August 2019, 11 bis 12 Uhr
Ort: Tagungszentrum im Haus der Bundespressekonferenz, Raum 4
Anschrift: Schiffbauerdamm 40/Ecke Reinhardtstraße 55, 10117 Berlin
Vorläufige Themen und Referenten:
Wann ist es Lupus – wann nicht? Welche Veränderungen die neuen europäisch-amerikanischen Klassifikationskriterien für Behandlung und Forschung mit sich bringen
Professor Dr. med. Martin Aringer, Tagungspräsident DGRh, Leiter der Abteilung für Rheumatologie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik III, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
Schonhaltung, Schmerz, Gelenkschwellungen – erste Anzeichen und Symptome von Rheuma bei Kindern rechtzeitig erkennen
Professor Dr. med. Kirsten Minden, Kinderrheumatologin an der Universitäts-Kinderklinik, Charité, Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ), Leiterin der AG Kinder- und Jugendrheumatologie am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum (DRFZ), Berlin
Aktuelle Zahlen: Wie gut sind Patienten mit Rheuma in Deutschland versorgt?
Rotraud Schmale-Grede, Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga, Schwäbisch Hall
Kleine Gelenke – großer Schmerz: Behandlungsmöglichkeiten der Fingerpolyarthrose
Professor Dr. med. Ralph Gaulke, Vizepräsident der DGORh, Leiter der Sektion Obere Extremität, Fuß-& Rheumachirurgie, Ständiger Vertreter des Direktors der Unfallchirurgischen Klinik, Medizinische Hochschule Hannover
Therapie der frühen rheumatoiden Arthritis: Anspruch und Wirklich bei Behandlung und Therapie
Professor Dr. med. Hendrik Schulze-Koops, Präsident der DGRh, Leitung der Rheumaeinheit des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München
Moderation: Kongress-Pressestelle DGRh, Stuttgart
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Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh)
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