20.07.2022 20:00
Steuersignale lindern Magengeschwüre
Kein Grund, sauer zu werden: Das Protein Rasal1 ist Teil einer molekularen Signalkette, die die Magensäure-Ausschüttung kontrolliert. Das berichtet eine Forschungsgruppe um den Marburger Pharmakologen Professor Dr. Thomas Worzfeld im Fachblatt „Science Translational Medicine“. Die Ergebnisse lassen sich auch für die Entwicklung neuer Medikamente nutzen, fand das Team heraus: Verabreicht man Mäusen eines der Proteine der Signalkette, so führt dies zur Linderung von Magengeschwüren.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Nimmt der Mensch Nahrung zu sich, so regt dies die Ausschüttung von Magensäure an. „Magensäure hilft bei der Verdauung und tötet Bakterien ab, kann aber auch die Schleimhaut des Magens angreifen und zu Magenentzündungen beitragen“, erklärt Thomas Worzfeld von der Philipps-Universität Marburg, der die Forschungsarbeiten leitete. „Daher muss der Körper die Ausschüttung von Magensäure strikt kontrollieren.“
Die Magensäureproduktion nimmt Fahrt auf, wenn Zellen der Magenschleimhaut das Hormon Gastrin ausschütten. „Ausgangspunkt unserer Studie war der Befund, dass bestimmte Gene in den Gastrin-produzierenden Zellen des Magens aktiv sind“, legt Worzfeld dar. Die Forschungsgruppe nutzte für ihre Untersuchungen biochemische und zellbiologische Verfahren sowie Experimente im Mausmodell.
Das Team identifizierte ein neues Glied der molekularen Signalkette, die das Gastrin-Gen kontrolliert. Von dem Protein Rasal1 war bislang nur bekannt, dass es die Vermehrung von Krebszellen des Verdauungssystems behindert. Die Forschungsgruppe fand heraus: Wenn Rasal1 von vorgeschalteten Molekülen den Befehl empfängt, das Gastrin-Gen zu hemmen, so trägt es dieses Signal über das Enzym R-Ras weiter. „Der Signalweg über Rasal1 ist von entscheidender Bedeutung für die Magensäureproduktion“, fasst Worzfeld zusammen.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten die Molekülkette daher für einen Ansatzpunkt, um Magengeschwüre medikamentös zu behandeln. Um diese Vermutung zu überprüfen, wendete das Team eines der beteiligten Proteine bei Mäusen an – das Ergebnis: Die Tiere bildeten weniger Magensäure und litten weniger stark an Magengeschwüren als ohne die Wirkstoffgabe.
Professor Dr. Thomas Worzfeld lehrt Pharmakologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität. Neben seiner Arbeitsgruppe und dem Marburger Universitätsinstitut für medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene beteiligten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim, der britischen Forschungsorganisation Life Arc sowie der Universität Kopenhagen an den Forschungen, die der Publikation zugrunde liegen.
Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Novo Nordisk Foundation, der Kerckhoff-Stiftung und der German-Israeli Foundation for Scientific Research and Development finanziell gefördert.
Originalpublikation: Rui Xu & al.: A semaphorin-plexin-rasal1 signaling pathway inhibits gastrin expression and protects against peptic ulcers, Science Translational Medicine 2022
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Thomas Worzfeld
Pharmakologisches Institut
Tel.: 06421 28-65001
E-Mail: worzfeld@uni-marburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
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Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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