Studie: Fließen macht Tumore gefährlich



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10.08.2023 09:10

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

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Studie: Fließen macht Tumore gefährlich

Seit Menschengedenken ertasten Ärzte suspekte Verhärtungen unter der Haut. Dass es sich bei dieser uralten Untersuchungstechnik um eine zukunftsweisende diagnostische Methode handelt, haben nun Wissenschaftler:innen der Charité – Universitätsmedizin Berlin und der Universität Leipzig in Kooperation von klinisch-diagnostischer Radiologie und biophysikalischer Grundlagenforschung bewiesen. Sie fanden heraus, dass die Konsistenz eines Tumors entscheidend den weiteren Verlauf einer Krebserkrankung beeinflussen kann. Ihre neuen Erkenntnisse haben sie gerade in dem renommierten Fachjournal „Advanced Science“ veröffentlicht.

Zunächst wurde an der Charité im Team der Experimentellen Radiologie unter Leitung von Prof. Dr. Ingolf Sack ein neuartiges bildgebendes Verfahren, die Tomoelastographie, entwickelt. Damit lassen sich die mechanischen Eigenschaften von Tumoren und umliegender Gewebe im MRT kartieren. Die von vielen Patient:innen gewonnen Werte der veränderten Steifigkeit und Fließeigenschaften von Krebsgeschwüren wurden dann von Biophysikern um Prof. Dr. Josef Käs an der Universität Leipzig mikromechanisch unter die Lupe genommen. Käs und Kolleg:innen verglichen die Charité-Daten mit den Fließeigenschaften einzelner Zellen und explantierter Tumorproben, zur Verfügung gestellt vom Universitätsklinikum Leipzig. „Dabei zeigten sich erstaunlich konsistente Muster der Veränderung der mechanischen Materialeigenschaften von Tumoren mit zunehmender Aggressivität“, sagt Käs.

Frank Sauer, Erstautor der Studie und Mitarbeiter in Käs‘ Team, erklärt, dass diese mechanischen Muster komplizierter sind als die einfache Unterscheidung zwischen steif und weich. Über diesen Tastbefund hinaus biete die Tomoelastographie die Möglichkeit, pixelgenau die Veränderung von Festkörpereigenschaften hin zu flüssigem Materialverhalten zu graduieren. „Tauschen Zellen im Gewebe ihren Platz, wie in einem fließenden Gewässer, führt das es zu einer erhöhten Fließfähigkeit des gesamten Tumors“, erläutert Sauer.

Käs und sein Team haben in der Vergangenheit gezeigt, dass in krebsartigen Geschwüren ebendiese „Zellflüsse“ existieren, auch wenn der Tumor insgesamt als steifer Knoten spürbar ist. Diese grundlegenden Zusammenhänge kann nun Sacks Team an der Charité erstmalig an Patient:innen messen und für die Diagnostik nutzen. Frank Sauer erläutert, dass die Einschätzung der Fließfähigkeit, der Härte und Textur eines Tumorknotens mit der Tomoelastographie genauere Krebsdiagnosen ermöglichen könnte und damit dem Patienten mit maßgeschneiderten Behandlungsoptionen helfen könnte. Die Studie soll nun in weiteren klinischen Pilotstudien validiert und für die radiologische Diagnostik nutzbar gemacht werden.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Josef A. Käs
Peter-Debye-Institut für Physik der weichen Materie der Universität Leipzig
Telefon: +49 341 97-32471
E-Mail: jkaes@physik.uni-leipzig.de

Frank Sauer
Peter-Debye-Institut für Physik der weichen Materie der Universität Leipzig
Telefon: +49 341 97 32562
E-Mail: frank.sauer@uni-leipzig.de


Originalpublikation:

“Changes in tissue fluidity predict tumor aggressiveness in vivo”, DOI: https://doi.org/10.1002/advs.202303523


Bilder

Tumor-assoziiert mikroskopische Effekte wie die Verflüssigung oder erhöhte Fließfähigkeit von Krebszellen haben Einfluss auf die makroskopischen mechanischen Eigenschaften des Tumors. Letztere lassen sich im Körper mit Tomoelastographie messen.

Tumor-assoziiert mikroskopische Effekte wie die Verflüssigung oder erhöhte Fließfähigkeit von Krebsz
Frank Sauer
Universität Leipzig


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW