17.06.2022 10:29
Tenascin-Proteine hemmen Regeneration der Zell-Ummantelung
Welche Rolle die beiden Proteine Tenascin C und Tenascin R für die Multiple Sklerose spielen, haben Forschende der Ruhr-Universität Bochum untersucht. Bei der Krankheit zerstören Zellen des Immunsystems die Myelinscheiden, also die Ummantelungen der Nervenzellen. Wie das Bochumer Team in Versuchen mit Mäusen zeigte, hemmt die Anwesenheit der beiden Tenascine die Regeneration der Myelinscheiden. Dr. Juliane Bauch und Prof. Dr. Andreas Faissner vom Bochumer Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie schildern die Ergebnisse in der Zeitschrift „Cells“, online veröffentlicht am 28. Mai 2022.
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Die Ursache für die Zerstörung der Myelinscheiden bei der Multiplen Sklerose ist bislang nicht geklärt. „Aber der Organismus verfügt über diverse Mechanismen, um die Läsionen in Teilen wieder zu kompensieren“, sagt Juliane Bauch, die sich in ihrer Promotion intensiv mit dem Thema befasst hat. Ziel der Arbeiten ist es, Ansatzpunkte zu identifizieren, mit denen sich die Regeneration der Myelinscheiden verbessern lassen könnte.
Tenascine behindern Regeneration der Nervenzell-Ummantelung
Tenascin C und Tenascin R sind Bestandteile der Extrazellulären Matrix, also des Gerüsts, in das die Zellen eingebettet sind. Die Extrazelluläre Matrix beeinflusst die Zellen, etwa die Oligodendrozyten, welche die Myelinscheiden bilden. Um den Einfluss der beiden Tenascine auf die Regeneration der Myelinscheiden zu untersuchen, behandelten die Forschenden Mäuse mit dem Mittel Cuprizon, das die Myelinscheiden zerstört. Nachdem Cuprizon abgesetzt worden war, beobachteten Bauch und Faissner, wie gut die Myelinscheiden regenerierten.
Die Forschenden verglichen den Prozess bei Mäusen, die Tenascin C und Tenascin R normal bildeten, und bei genetisch veränderten Mäusen, denen die beiden Tenascine fehlten. Zu diesem Zweck erstellten sie Gewebeschnitte des Gehirns und werteten die Dicke der Myelinscheiden aus. Mäuse ohne Tenascin C und R konnten die Myelinscheiden schneller und erfolgreicher wieder aufbauen.
Unterschiedliche Wirkung der beiden Proteine
Juliane Bauch und Andreas Faissner untersuchten auch die Mechanismen, mit denen die Proteine den Regenerationsprozess behinderten. Tenascin C limitierte die Anzahl der gebildeten Myelinscheiden. Tenascin R begünstigte das Vorhandensein des Proteins CD68, das akute Entzündungen vorantreibt. Beide Proteine sind zudem bekannt dafür, die Bewegungen von Oligodendrozyten einzuschränken. Außerdem limitieren sie während der Wiederherstellung der Myelinmembranen die Entstehung des Proteins MBP, das für die Bildung von Myelinmembranen wichtig ist.
„Unsere Forschungsergebnisse eröffnen neue Therapieansätze zur Behandlung von demyelinisierenden Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose. Der Einfluss der Extrazellulären Matrix auf die Wiederherstellung der Myelinmembranen ist enorm und könnte zukünftig ein wichtiges Target für die Therapie werden“, resümiert Juliane Bauch.
Förderung
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte die Arbeiten im Rahmen des Projekts mit dem Förderkennzeichen FA 159/24-1, Grant-Nummer 407698736.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Juliane Bauch
Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 25812
E-Mail: juliane.bauch@rub.de
Originalpublikation:
Juliane Bauch and Andreas Faissner: The extracellular matrix proteins tenascin-C and tenascin-R retard oligodendrocyte precursor maturation and myelin regeneration in a Cuprizone-induced long-term demyelination animal model, in: Cells, 2022, DOI: 10.3390/cells11111773
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch