Wie Bakterien an Zellen andocken: Basis für die Entwicklung einer neuen Klasse von Antibiotika



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30.06.2022 14:15

Wie Bakterien an Zellen andocken: Basis für die Entwicklung einer neuen Klasse von Antibiotika

Forscherinnen und Forscher des Universitätsklinikum Frankfurt und der Goethe-Universität haben die „Anheftung“ von Bakterien an Wirtszellen aufgeschlüsselt und damit den ersten Schritt gemacht, um eine neue Klasse von Antibiotika zu entwickeln.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

FRANKFURT. Die „Anheftung“ (Adhäsion) von Bakterien an Zellen ist immer der erste und einer der wichtigsten Schritte bei der Entstehung von Infektionserkrankungen. Diese Adhäsion der Infektionserreger dient dazu, den Wirtsorganismus, beispielsweise den Menschen, erst zu besiedeln und anschließend eine Infektion auszulösen, die im schlechtesten Fall tödlich endet. Das genaue Verständnis dieser sogenannten „Adhärenz“ der Bakterien an Wirtszellen ist ein Schlüssel, um therapeutische Alternativen zu finden, die diese entscheidende Interaktion im frühestmöglichen Stadium einer Infektion blockieren.

Entscheidende Wechselwirkung mit dem menschlichen Protein Fibronektin

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Universitätsklinikum Frankfurt und der Goethe-Universität haben in Kollaboration mit anderen Forschern nun den Mechanismus der bakteriellen Adhärenz anhand des humanpathogenen Bakteriums Bartonella henselae aufgeklärt. Es handelt sich um den Erreger der sogenannten „Katzenkratzkrankheit“, die von Tieren auf Menschen übertragen wird. In einem internationalen Kooperationsprojekt unter Leitung der Frankfurter Forschungsgruppe um Univ.-Prof. Volkhard Kempf wurde der bakterielle Adhärenz-Mechanismus mit Hilfe einer Kombination aus in-vitro-Adhärenztests und Hochdurchsatz-Proteomik entschlüsselt. Unter Proteomik versteht man die Erforschung der Gesamtheit aller in einer Zelle oder einem komplexen Mechanismus vorliegenden Proteine.

Die Wissenschaftler haben einen zentralen Mechanismus aufgeklärt: Die bakterielle Anheftung an die Wirtszellen kann auf die Interaktion einer bestimmten Adhäsin-Klasse – den sogenannten „trimeren Autotransporter-Adhäsinen“ – mit dem im menschlichen Gewebe häufig vorkommenden Protein Fibronektin zurückgeführt werden. Bei Adhäsinen handelt es sich um bakterielle Oberflächenkomponenten, die es dem Erreger ermöglichen, sich an die biologischen Strukturen des Wirts anzuheften. Die hier als entscheidend identifizierte Adhäsin-Klasse kommt auch in vielen anderen humanpathogenen Bakterien, so zum Beispiel dem multiresistenten Acinetobacter baumannii vor, der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als „Priorität-1“ Erreger zur Erforschung neuer Antibiotika klassifiziert wurde.

Die genauen Wechselwirkungspunkte zwischen den Proteinen wurden unter Einsatz modernster Protein-Analytik sichtbar gemacht. Es konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass die experimentelle Blockade dieser Abläufe die bakterielle Adhärenz nahezu komplett verhindert. Therapeutische Ansätze, die auf eine derartige Unterbindung der bakteriellen Adhärenz zielen, könnten als neue Klasse von Antibiotika (sogenannte „Antiliganden“) eine vielversprechende Behandlungsalternative auf dem stetig wachsenden Gebiet der multiresistenten Bakterien darstellen.

Renommierte Förderung

Die Forschungsarbeit wurde im Rahmen eines sogenannten „Marie-Curie-Trainingsnetzwerks der Europäischen Union“ („ViBrANT: Viral and Bacterial Adhesin Network Training“) im Rahmen des Forschungs- und Innovationsprogramms HORIZON 2020 der Europäischen Union gefördert.

Die wissenschaftliche Arbeit ist in der renommierten Fachzeitschrift „Microbiology Spectrum“ der American Society of Microbiology (ASM) erschienen und wurde am 18. Juni 2022 als „Paper of the month“ durch die Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) ausgezeichnet.

Bilder zum Download:

https://www.kgu.de/fileadmin/redakteure/Presse/Bilder_Pressmitteilungen/2022/Vac…
Bildtext: Erstautorin der Studie: Diana Jaqueline Vaca, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Frankfurt (Abb. 1). Foto: Universitätsklinikum Frankfurt

https://www.kgu.de/fileadmin/redakteure/Presse/Bilder_Pressmitteilungen/2022/Bar…
Bildtext: Adhäsion von Bartonella henselae (blau) an menschliche Blutgefäßzellen (rot). Diese Bindung des Bakteriums an die Wirtszellen könnte mit Hilfe von sogenannten „Antiliganden“ blockiert werden
Credits: https://www.mdpi.com/2075-4418/11/7/1259


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. med. Volkhard A. J. Kempf
Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene
Universitätsklinikum Frankfurt
Tel: +49 (0)69 6301–5019
volkhard.kempf@kgu.de
Internet: https://www.kgu.de/einrichtungen/institute/zentrum-der-hygiene/medizinische-mikr…


Originalpublikation:

Vaca, D. J., Thibau, A., Leisegang, M. S., Malmström, J., Linke, D., Eble, J. A., Ballhorn, W., Schaller, M., Happonen, L., Kempf, V. A. J.; Interaction of Bartonella henselae with Fibronectin Represents the Molecular Basis for Adhesion to Host Cells; Microbiology Spectrum, April 18th, 2022. https://doi.org/10.1128/spectrum.00598-22


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW