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01.12.2022 20:05
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Woher kam Omikron? Studie in Science entschlüsselt die Entstehung der SARS-CoV-2-Variante
Vor einem Jahr wurde sie erstmals in Südafrika entdeckt: eine neue Variante von SARS-CoV-2, die später als Omikron bekannt wurde und sich in kürzester Zeit über den ganzen Erdball verbreitete. Bis heute ist unklar, wo und wann dieses Virus genau aufkam. Eine jetzt im Fachmagazin Science* veröffentlichte Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin mit afrikanischen Kooperationspartnern zeigt: Omikron-Vorläufer gab es auf dem afrikanischen Kontinent schon deutlich vor dem ersten Nachweis von Omikron. Demnach ist die Virusvariante schrittweise über mehrere Monate in verschiedenen Ländern Afrikas entstanden.
Seit Beginn der Pandemie verändert sich das Coronavirus. Den bisher größten Sprung in der Evolution von SARS-CoV-2 konnten Forschende vor einem Jahr beobachten, als eine Variante entdeckt wurde, die sich durch mehr als 50 Mutationen vom Erbgut des ursprünglichen Virus unterschied. Erstmals Mitte November 2021 bei einem Patienten in Südafrika nachgewiesen, erreichte die später als Omikron BA.1 bezeichnete Variante innerhalb weniger Wochen 87 Länder der Erde. Bis Ende Dezember 2021 hatte sie das zuvor dominierende Delta-Virus weltweit verdrängt.
Seither wird über den Ursprung dieser sich so rasant ausbreitenden Variante spekuliert. Diskutiert werden vorrangig zwei Hypothesen: Entweder sei das Coronavirus vom Menschen auf ein Tier übergesprungen und habe sich dort weiterentwickelt, bevor es als Omikron wieder einen Menschen infizierte. Oder das Virus habe in einem Menschen mit unterdrücktem Immunsystem für längere Zeit überdauert und sich dort verändert. Eine neue Auswertung von COVID-19-Proben, die schon vor der Omikron-Entdeckung in Südafrika gesammelt worden waren, widerspricht nun beiden Annahmen.
Durchgeführt wurde die Analyse von einem internationalen Forschungsteam um Prof. Dr. Jan Felix Drexler, Wissenschaftler am Institut für Virologie der Charité und am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Innerhalb des europäischen und panafrikanischen Netzwerks maßgeblich beteiligt waren die Universität Stellenbosch in Südafrika und das Referenzlabor für hämorrhagische Fieber in Benin. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entwickelten zunächst einen speziellen PCR-Test, um die Omikron-Variante BA.1 spezifisch nachweisen zu können. Diesen wandten sie dann bei mehr als 13.000 Proben aus 22 Ländern Afrikas an, die zwischen Mitte 2021 und Anfang 2022 abgestrichen worden waren. Dabei fand das Forschungsteam Viren mit Omikron-spezifischen Mutationen bei 25 Menschen aus sechs verschiedenen Ländern, die bereits im August und September 2021 an COVID-19 erkrankt waren – also zwei Monate vor dem ersten Nachweis der Variante in Südafrika.
Um mehr über die Entstehung von Omikron herauszufinden, entschlüsselten die Forschenden zusätzlich bei rund 670 Proben das virale Erbgut. Durch eine solche Sequenzierung ist es möglich, neue Mutationen zu erkennen und auch unbekannte Viruslinien nachzuweisen. So entdeckte das Team mehrere Viren, die unterschiedlich starke Ähnlichkeiten mit Omikron aufwiesen, aber eben nicht identisch waren. „Unsere Daten zeigen, dass Omikron verschiedene Vorläufer hatte, die sich miteinander mischten und zur selben Zeit und über Monate hinweg in Afrika zirkulierten“, erklärt Prof. Drexler. „Das deutet auf eine graduelle Evolution der BA.1-Omikron-Variante hin, während der sich das Virus immer besser an die vorhandene Immunität der Menschen angepasst hat.“ Aus den PCR-Daten folgern die Forschenden darüber hinaus, dass Omikron zwar nicht allein in Südafrika entstand, dort aber als erstes das Infektionsgeschehen dominierte und sich dann innerhalb weniger Wochen von Süd nach Nord über den afrikanischen Kontinent ausbreitete.
„Das plötzliche Auftreten von Omikron ist also nicht auf einen Übertritt aus dem Tierreich oder die Entstehung in einem immunsupprimierten Menschen zurückzuführen, auch wenn das zusätzlich zur Virusentwicklung beigetragen haben könnte“, sagt Prof. Drexler. „Dass wir von Omikron überrascht wurden, liegt stattdessen am diagnostischen blinden Fleck in großen Teilen Afrikas, wo vermutlich nur ein Bruchteil der SARS-CoV-2-Infektionen überhaupt registriert wird. Die Entwicklung von Omikron wurde also einfach übersehen. Deshalb ist es wichtig, diagnostische Überwachungssysteme auf dem afrikanischen Kontinent und in vergleichbaren Regionen des Globalen Südens jetzt deutlich zu stärken und den Datenaustausch weltweit zu erleichtern. Nur eine gute Datenlage kann verhindern, dass potenziell wirksame Eindämmungsmaßnahmen wie Reisebeschränkungen zum falschen Zeitpunkt ergriffen werden und damit mehr wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schaden anrichten als Gutes zu tun.“
*Fischer C et al. Gradual emergence followed by exponential spread of the SARS-CoV-2 Omicron variant in Africa. Science 2022 Dec 01. doi: 10.1126/science.add8737
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. Jan Felix Drexler
Institut für Virologie
Charité – Universitätsmedizin Berlin
t: +49 30 450 570 400
presse@charite.de
Originalpublikation:
https://www.science.org/doi/10.1126/science.add8737
Weitere Informationen:
https://virologie-ccm.charite.de/ Institut für Virologie
https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/charite_experten_… PM vom 22.12.2021
https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/lateinamerika_cha… PM vom 23.06.2020
Bilder
PCR-Gerät für den Nachweis von Erregern wie SARS-CoV-2 (Symbolbild)
Arne Sattler
© Charité | Arne Sattler
Prof. Dr. Jan Felix Drexler (links) und Kooperationspartner Dr. Anges Yadouleton (Mitte) im Referenz …
Anna-Lena Sander
© Charité | Anna-Lena Sander
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
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