28.02.2019 15:55
Zentralen Schalter der allgemeinen DNA-Reparatur und Transkription in Krebszellen entdeckt
Irren ist menschlich – auch im Bauplan unseres Lebens, im Genom, kommt es täglich in jeder Zelle unseres Körpers zu Schäden in der DNA, die die Zellen durch einen eigenen, ausgeklügelten Reparatur- und Schreibmechanismus beheben. Versagt dieser, sind Genveränderungen vorprogrammiert, die zu Krebs führen oder schwerwiegende Erbkrankheiten nach sich ziehen können. Wissenschaftlern des Forschungsinstituts Kinderkrebs-Zentrum Hamburg am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist es nun gelungen, einen zentralen Schalter für diese DNA-Reparatur- und Transkriptionsmechanismen in Krebszellen zu identifizieren.
Am Modell von pigmentbildenden Zellen, die in besonders hohem Maße genomschädigenden Einflüssen, wie z.B. UV-Strahlung und Oxidationsstress, ausgesetzt sind, haben Professor Dr. Martin Horstmann und seine Arbeitsgruppe zusammen mit Kollegen/- innen der Abteilungen Anatomie/experimentelle Morphologie und Dermatologie am UKE im Rahmen einer internationalen Kollaboration einen zentralen molekularen Schalter ausgemacht, der die komplexe Genschreibmaschine reguliert. Dieser zentrale Schalter namens ‘MITF’ (Microphthalmia Transkriptionsfaktor) arbeitet als Steuerungselement eines starken Wachstumsmotors in bösartigen Pigmentzellen und leistet auf diese Weise den Tumorzellen enormen Vorschub.
MITF und MYC – zwei potenzielle Onkogene bestimmen die Aktivität der allgemeinen Transkriptionsmaschine
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.
Die genotoxisch besonders exponierten, pigmentbildenden Zellen aktivieren den Transkriptionsfaktor MITF, um ihre genetische Integrität und transkriptionelle Homöostase aufrecht zu erhalten. MITF transaktiviert den allgemeinen Transkriptionsfaktor 2H1 (GTF2H1), der für die Nukleotid-Exzisionsreparatur und die Transkription durch TFIIH benötigt wird. Zudem entdeckten die Forscher, dass MITF als linienabhängiges Onkogen das Wachstum entarteter Pigmentzellen durch GTF2H1 vorantreibt und auf diese Weise die Progression und Fernabsiedlung der Tumorzellen mitbestimmt. „Die funktionelle Achse MITF-GTF2H1 ist in den Tumorzellen aktiv und fungiert quasi als Steuerungselement des Wachstumsmotors“, erklärt Horstmann das Forschungsergebnis seiner Arbeitsgruppe. Dabei reguliert MITF nicht nur den für die Architektur des Transkriptionsinitiationskomplex so wichtigen GTF2H1, sondern auch seine katalytische Untereinheit, das Enzym CDK7 – eine Kinase, die sowohl für die Transkription als auch für die Zellzyklusaktivität unabdingbar ist. In 15-20% der untersuchten malignen Pigmentzelltumoren geht der zentrale Microphthalmia Transkriptionsfaktor verloren und wird durch sein Homolog, das Proto-Onkogen c-MYC, ersetzt. Hierbei übernimmt MYC die Kontrolle über CDK7 in den pigmentbildenden Zellen.
MYC ist in einer Vielzahl von Tumoren aktiv, häufig auch in Krebsentitäten des Kindesalters. Der beschriebene Schutzmechanismus, der genetische Integrität und transkriptionelle Homöostase in Normalzellen aufrechterhält, richtet sich im Moment der Transformation gegen den Organismus. Die gute Nachricht ist, dass zum Beispiel MYC-getriebene Neuroblastome oder Medulloblastome transkriptionsabhängig sind. „Wir haben möglicherweise einen wunden Punkt in diesen kaum zu kontrollierenden Tumoren identifiziert, der durch gezielte Hemmung der MYC-abhängigen CDK7 therapeutisch adressiert werden kann”, erläutert Professor Horstmann.
Die Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden jüngst in der Fachzeitschrift Oncogene der Nature Publishing Group publiziert. Sie tragen zu einem besseren Verständnis bei, wie DNA-Reparatur und Transkription koordiniert reguliert werden. Darüber hinaus eröffnen die gewonnenen Erkenntnisse neue Perspektiven der transkriptions-gerichteten therapeutischen Intervention in MYC- bzw. MITF-abhängigen Tumorerkrankungen des Kindes- und Erwachsenenalters.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Professor Dr. Martin Horstmann I horstmann@kinderkrebs-forschung.de
Originalpublikation:
Lineage-specific control of TFIIH by MITF determines transcriptional homeostasis and DNA repair.
Seoane M, Buhs S, Iglesias P, Strauss J, Puller AC, Müller J, Gerull H, Feldhaus S, Alawi M, Brandner JM, Eggert D, Du J, Thomale J, Wild PJ, Zimmermann M, Sternsdorf T, Schumacher U, Nollau P, Fisher DE, Horstmann MA. Oncogene. 2019 Jan 16. doi: 10.1038/s41388-018-0661-x.
Weitere Informationen:
http://www.kinderkrebs-forschung.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch