Alternde Stammzellen des Gehirns reaktivieren



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24.02.2021 17:00

Alternde Stammzellen des Gehirns reaktivieren

Mit zunehmendem Alter verlieren Hirnstammzellen die Fähigkeit, sich zu teilen und neue Nervenzellen zu bilden. Dadurch wird die Gedächtnisleistung beeinträchtigt. Forschende der Universität Zürich haben nun einen Mechanismus entdeckt, der für die Stammzellalterung mitverantwortlich ist. Und sie zeigen, dass die Nervenzellbildung wieder aktiviert werden kann.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Stammzellen des Gehirns bilden lebenslang neue Nervenzellen, beispielsweise im Hippokampus. Diese Hirnregion ist für mehrere Gedächtnisprozesse sehr wichtig. Bei Patienten mit Morbus Alzheimer oder mit zunehmendem Alter nimmt im Hippokampus die Neubildung von Nervenzellen kontinuierlich ab – und damit auch die Gedächtnisleistung der Betroffenen.

Verteilung von altersbedingten Zellschäden

In einer Studie zeigt die Gruppe von Sebastian Jessberger, Professor am Institut für Hirnforschung der Universität Zürich, wie die Bildung neuer Nervenzellen beeinträchtigt wird. Proteinstrukturen im Zellkern der Hirnstammzellen sorgen dafür, dass schadhafte Eiweisse, die sich mit der Zeit ansammeln, bei der Zellteilung ungleichmässig auf die zwei Tochterzellen verteilt werden. Dies scheint wichtig zu sein, damit Stammzellen über lange Zeit ihre Teilungsfähigkeit behalten, um den Nachschub an Neuronen zu sichern. Mit fortschreitendem Alter verändern sich jedoch die Mengen dieser Kernproteine, was zu einer fehlerhaften Verteilung der altersbedingten Eiweisse führt. Deshalb werden im Gehirn von alternden Mäusen immer weniger Nervenzellen gebildet.

Zentral in diesem Prozess ist das Kernprotein Lamin B1, dessen Menge mit fortschreitendem Alter abnimmt. Als die Forschenden die Menge an Lamin B1 in alternden Mäusen experimentell erhöhten, verbesserte dies die Stammzellteilung und erhöhte die Neubildung von Nervenzellen. «Im gesamten Körper verlieren Stammzellen mit zunehmendem Alter nach und nach ihre Teilungsfähigkeit. Mithilfe von gentechnischen Methoden und modernster Mikroskopie konnten wir nun einen Mechanismus identifizieren, der dafür mitverantwortlich ist», sagt Doktorand und Erstautor der Studie, Khadeesh bin Imtiaz.

Alterungsprozesse von Stammzellen stoppen

Die Forschungsarbeit ist Teil mehrerer laufender Projekte mit dem Ziel, in Zukunft alternde Stammzellen wieder zu aktivieren. Denn verletztes Gewebe regeneriert im Alter generell schlechter. Das heisst, fast alle Stammzellarten im Körper sind betroffen. «Unsere Studie beschränkt sich zwar auf Hirnstammzellen, ähnliche Mechanismen dürften aber auch für die Alterung von anderen Körperstammzellen eine Rolle spielen», sagt Sebastian Jessberger.

Die neuen Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt, um altersbedingte Änderungen im Stammzellverhalten detailliert zu erforschen. «Wir wissen nun, dass wir Stammzellen im alternden Gehirn aktivieren können. Wir hoffen, damit einen Beitrag zu leisten, um zukünftig die Bildung neuer Nervenzellen zu erhöhen – etwa bei Menschen im hohen Alter oder mit degenerativen Erkrankungen wie dem Morbus Alzheimer. Auch wenn das noch viele Jahre dauern wird», so Jessberger

Finanzierung
Die Forschungsarbeit wurde unterstützt vom European Research Council, dem Schweizerischen Nationalfonds, der Helmut Horten Stiftung, dem Wisconsin Partnership Program, einem NIH New Innovator Award und dem Zentrum für Neurowissenschaften Zürich.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Sebastian Jessberger
Institut für Hirnforschung
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 33 70
E-Mail: jessberger@hifo.uzh


Originalpublikation:

M.K. bin Imtiaz, B.N. Jaeger, S. Bottes, R.A.C. Machado, M. Vidmar, D.L. Moore, S. Jessberger. Declining Lamin B1 expression mediates age-dependent decreases of hippocampal stem cell activity. 24 February 2021. Cell Stem Cell. DOI: 10.1016/j.stem.2021.01.015


Weitere Informationen:

https://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2021/Hirnstammzellen.html


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


Quelle: IDW