Antibiotikaresistenzen: Tuberkulose-Therapie am Limit?



Teilen: 

20.02.2023 15:59

Literature advertisement

Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Antibiotikaresistenzen: Tuberkulose-Therapie am Limit?

Die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen erschwert zunehmend die Behandlung der Tuberkulose. Besonders schwer betroffen sind Patientinnen und Patienten, die an einer multiresistenten Tuberkulose erkrankt sind. Hier ist der Erreger gegenüber den besten Tuberkulosemedikamenten, Rifampicin und Isoniazid, resistent, also unempfindlich geworden. Wenn auch die Medikamente zweiter Wahl versagen, gibt es oft keine Rettung für die Betroffenen. In einem besonders komplizierten Fall haben die Ärzte der Medizinischen Klinik Borstel, Leibniz Lungenzentrum, einen Patienten, der gegen praktisch alle Tuberkulose-Medikamente resistent war, erstmals mit außergewöhnlich hohen Dosierungen behandelt.

Die leitliniengerechte Therapie der multiresistenten Tuberkulose (MDR-TB) umfasst mindestens vier Medikamente, die je nach Ausmaß der Antibiotikaresistenzen und Verfügbarkeit der Medikamente 6-18 Monate (oder länger) beträgt. Die dabei eingesetzten Therapeutika sind weniger effektiv als Rifampicin und Isoniazid, mit deutlich höheren Therapiekosten und einem höheren Risiko für Nebenwirkungen verbunden.

Ein besonders komplizierter Fall von antibiotikaresistenter Tuberkulose wurde an der Medizinischen Klinik des Forschungszentrums Borstel, Leibniz Lungenzentrum, zwischen November 2018 und der Schließung der Klinik im November 2021 betreut: Der Patient war mit einem Tuberkulose-Stamm infiziert, der gegen praktisch alle Tuberkulose-Antibiotika resistent war. Nur Delamanid und das neu zugelassene Medikament Pretomanid waren in der Resistenztestung wirksam. In einem experimentellen Ansatz versuchte das medizinische Team, bestehende Antibiotikaresistenzen mit besonders hohen Medikamenten-Dosierungen zu überwinden. Unterstützt wurden sie dabei von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Nationalen Referenzzentrums für Mykobakterien und der Molekularen und Experimentellen Mykobakteriologie am Forschungszentrum Borstel, sowie von einem internationalen Team von Expertinnen und Experten.

Es gelang zunächst, die Bakterienlast so stark zu reduzieren, dass über den Zeitraum von beinahe einem Jahr keine Bakterien nachweisbar waren. Die eingesetzten Dosierungen überstiegen dabei die zugelassene Maximaldosis teilweise um das sechsfache. Mit dem Ende der Therapie nach insgesamt 28 Monaten stellte sich jedoch ein sofortiger Rückfall ein. Kurz darauf entwickelten die Tuberkulosebakterien eine zusätzliche Resistenz gegen Delamanid und auch Pretomanid. Danach gelang es nicht mehr, die Infektion zu kontrollieren und der Patient starb wenige Monate später.

„Es ist weltweit der erste Patient, bei dem Tuberkulosebakterien mit einer Resistenz gegen Pretomanid beschrieben wurden“, erklärt Professor Christoph Lange, Medizinischer Direktor am Forschungszentrum Borstel und Wissenschaftler im Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF). Ein Alarmsignal für die Ärztinnen und Ärzte und eine Herausforderung zur Entwicklung neuer Medikamente.

„Wir haben gelernt, dass Antibiotikaresistenzen durch sehr hohe Medikamentendosierungen überwunden werden können und dass zumindest im Einzelfall diese hohen Dosierungen auch toleriert werden. Dennoch haben am Ende die Bakterien gesiegt“, sagt Erstautor Niklas Köhler, Arzt und Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Klinische Infektiologie und im DZIF. Für Patientinnen und Patienten, bei denen die Tuberkulosebakterien gegen praktisch alle Antibiotika resistent sind, werden wir wahrscheinlich ganz neue Medikamentenkombinationen benötigen.“


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Christoph Lange
T +4945371883321/0
E-Mail: clange(at)fz-borstel.de


Originalpublikation:

Koehler N, Andres S, Merker M, Dreyer V, John A, Kuhns M, Krieger D, Choong E, Verougstraete N, Zur Wiesch PA, Wicha SG, König C, Kalsdorf B, Sanchez Carballo PM, Schaub D, Werngren J, Schön T, Peloquin CA, Schönfeld N, Verstraete AG, Decosterd LA, Aarnoutse R, Niemann S, Maurer FP, Lange C. Pretomanid- Resistant Tuberculosis. J Infect. 2023 Feb 2:S0163-4453(23)00069-5. doi: 10.1016/j.jinf.2023.01.039. Epub ahead of print. PMID: 36738862.


Weitere Informationen:

https://dzg-magazin.de/passgenau-gegen-tuberkulose/ Mehr über den individuellen Kampf gegen Tuberkulose (DZG-Magazin)


Bilder

Antibiotikaresistenzen erschweren die Tuberkulose-Therapie.

Antibiotikaresistenzen erschweren die Tuberkulose-Therapie.

science RELATIONS


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Quelle: IDW