24.07.2019 10:19
Genomforschung beweist, dass der Körper die genetische Vererbung beeinflusst
Studie zeigt, dass Körperzellen des Wurms C. elegans die Vererbung beeinflussen und stellt damit eine sicher geglaubte Erkenntnis zur Vererbung in Frage / Veröffentlichung in „Developmental Cell“
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am CECAD Exzellenzcluster für Alternsforschung der Universität zu Köln haben entdeckt, dass Körperzellen, die in direktem Kontakt mit den Keimzellen des Fadenwurms Caenorhabditis elegans stehen, für die Kontrolle der Stabilität der Genome in Keimzellen verantwortlich sind. Alle Keimzellen, ob Spermien oder Eizellen, stammen von Urkeimzellen ab, die in der frühen Embryonalentwicklung entstehen. Die Studie des Forschungsteams um den Kölner Genomforscher Professor Dr. Björn Schumacher wurde unter dem Titel „Somatic niche cells regulate the CEP-1/p53-mediated DNA damage response in primordial germ cells“ in der Fachzeitschrift „Developmental Cell“ veröffentlicht.
Das Genom der Urkeimzellen ist besonders gut vor Beschädigungen geschützt. Denn Schäden treten ständig in der DNA auf. Nicht nur Umwelteinflüsse, sondern selbst Nebenprodukte des Energiestoffwechsels beschädigen die molekularen Strukturen des Genoms in jeder Zelle. Schäden in Keimzellen sind besonders gefährlich, denn sie könnten vererbt werden und zu schweren Erbkrankheiten führen. Deshalb überwachen Keimzellen ihr Genom besonders genau. Tritt ein Schaden auf, teilen sich die Urkeimzellen nicht weiter, bis er repariert worden ist. DNA-Schäden spielen eine fundamentale Rolle bei der Abnahme der Fruchtbarkeit während des Alterns, denn beschädigte Keimzellen können keine Nachkommen hervorbringen.
Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert ging die Wissenschaft davon aus, dass der Körper keinen Einfluss auf die vererbten Gene ausübt. Das Erbmaterial wird von den Keimzellen – beim Menschen die Spermien und Eizellen – von Generation zu Generation weitergegeben. Der Körper habe keinen Einfluss auf die vererbten Genome, deshalb werden erlernte Fähigkeiten auch nicht genetisch vererbt. Seit über hundert Jahren gilt, dass die Genome der Keimzellen von Einflüssen des Körpers bereits in der frühesten Entwicklung geschützt sind. Nun stellen neue Erkenntnisse des Forschungsteams um Schumacher diese Gewissheiten grundsätzlich in Frage.
Urkeimzellen müssen einen Checkpoint passieren, bei dem festgestellt wird, ob ihr Genom frei von Schäden ist. „Bisher gingen wir davon aus, dass diese Checkpoints von diesen Zellen vollkommen autonom gesteuert werden“, sagt Schumacher. „Doch nun wissen wir, dass das nicht der Fall ist. Stattdessen bestimmen Körperzellen, ob die Urkeimzellen den Checkpoint passieren. Damit kommt den Körperzellen eine zentrale Rolle bei der Kontrolle der erblichen Genome zu.“
Die Untersuchung der Urkeimzellen bei Säugern wie dem Menschen ist hochkompliziert, deshalb untersuchte Schumacher die Urkeimzellen des einfachen Fadenwurms C. elegans. Der Wurm verfügt über die gleichen Systeme zur Überwachung und Reparatur des Genoms wie der Mensch und ist deshalb für die Forschung von großer Bedeutung. Der ganz junge Fadenwurm hat zwei Urkeimzellen, aus denen sämtlich Spermien und Eizellen des Tieres in seiner späteren Entwicklung gebildet werden.
Diese neuen Erkenntnisse zeigen, dass der Körper eine maßgebliche Rolle bei der Überwachung erblicher genetischer Information spielt. Diese neuen Erkenntnisse könnten auch dabei helfen die Ursachen für Unfruchtbarkeit besser zu verstehen.
Inhaltlicher Kontakt:
Professor Dr. Björn Schumacher
+49 221 478 84202
bjoern.schumacher@uni-koeln.de
Presse und Kommunikation:
Peter Kohl
+49 221 478 84043
pkohl@uni-koeln.de
Zur Publikation:
„Somatic niche cells regulate the CEP-1/p53-mediated DNA damage response in primordial germ cells.”
Ou HL, Kim CS, Uszkoreit S, Wickström SA, Schumacher B
Developmental Cell 50, 1–17, July 22, 2019. doi.org/10.1016/j.devcel.2019.06.012
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Plötzlich gesund
Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
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Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.