Mitochondrien übertragen Signale im Immun- und Nervensystem



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17.11.2022 12:18

Mitochondrien übertragen Signale im Immun- und Nervensystem

Neue Einblicke in die Funktion von Mitochondrien bringen Licht in die Schnittstellen zwischen Nerven- und Immunsystem.

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Plötzlich gesund

Fortschreitende Naturerkenntnis, ganz allgemein gesprochen, ‘Wissenschaft’, ist der stärkste Feind des medizinischen Wunders. Was unseren Vorfahren als Wunder erschien, was einfache Naturvölker heute noch in heftige Erregung versetzt, das berührt den zivilisierten Menschen längst nicht mehr.
Doch es gibt einen Gegensatz, der jedem Denkenden sofort auffällt: der unerhörte, durchaus nicht abgeschlossene Aufstieg der wissenschaftlichen Heilkunde und die ebenso unerhörte Zunahme der Laienbehandlung und der Kurpfuscherei. Man schätzt die Zahl der Menschen, die der Schulmedizin kein Vertrauen schenken, auf immerhin 50 Prozent.
Wie kann es sein, daß Laienbehandler und Kurpfuscher immer wieder spektakuläre Erfolge aufweisen, von denen die Sensationspresse berichtet?
Der Autor geht dieser Frage nach und kommt zu interessanten Erkenntnissen, aus denen er Vorschläge für eine bessere Krankenbehandlung durch seine ärztlichen Standesgenossen ableitet.

Hier geht es weiter …

Mitochondrien sind vor allem als die Kraftwerke der Zellen bekannt. Diese Zellorganellen sind aber nicht nur für die Energiebereitstellung von Bedeutung: Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Konstanze Winklhofer an der Medizinischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum konnte zeigen, dass Mitochondrien auch eine wichtige Rolle bei der Übertragung von Signalprozessen im angeborenen Immunsystem spielen. Sie regulieren einen Signalweg, der zur Ausschaltung von Krankheitserregern führt, aber bei zu langer Aktivierung durch chronische Entzündungen Schaden anrichten kann. Das Forschungsteam berichtet in der Zeitschrift EMBO Journal vom 17. November 2022.

Schutz vor Bakterien und Viren

Bestimmte Botenstoffe, aber auch sogenannte intrazelluläre Erreger wie Viren und einige Bakterien aktivieren den Transkriptionsfaktor NF-κB. Er reguliert die Expression verschiedener Gene. „Je nach auslösendem Stimulus und Zelltyp werden dadurch Zellen vor dem Zelltod geschützt und vermehrt solche Proteine hergestellt, die zur Eliminierung von Bakterien und Viren beitragen“, erläutert Konstanze Winklhofer. Bei exzessiver und längerdauernder Aktivierung dieses eigentlich schützenden Signalweges kann es allerdings zu chronischen Entzündungen kommen. „Daher ist eine effiziente Regulierung dieser Signalprozesse von großer medizinischer Relevanz, um pathologische Prozesse infolge einer ineffizienten oder überschießenden NF-κB-Aktivierung zu vermeiden.“
Zwei Vorteile von Mitochondrien: Sie sind mobil und besitzen eine große Oberfläche

Die aktuelle Studie zeigt erstmals, dass Mitochondrien an der Regulation des NF-κB-Signalwegs beteiligt sind. Innerhalb weniger Minuten nach Aktivierung dieses Signalweges formiert sich ein Signalkomplex an der äußeren mitochondrialen Membran, der die Aktivierung von NF-κB bewerkstelligt. „Aufgrund der großen Oberfläche von Mitochondrien wird dadurch das Signal verstärkt“, erklärt Konstanze Winklhofer. „Darüber hinaus haben Mitochondrien eine weitere Eigenschaft, die sie als Organellen für Signalweiterleitung prädestiniert: Sie sind mobil und können an Motorproteine in der Zelle andocken.“ Das Forschungsteam beobachtete, dass Mitochondrien den aktivierten Transkriptionsfaktor NF-κB in räumliche Nähe zu seinem Wirkort, dem Zellkern, transportieren und somit die Aufnahme in den Zellkern erleichtern.

Mitochondrien sind aber nicht nur an der effizienten Aktivierung des NF-κB-Signalweges beteiligt; sie tragen auch zur Abschaltung und somit Regulation des Signals bei. Dies wird gewährleistet durch ein Enzym an der äußeren Membran der Mitochondrien. Es macht eine Veränderung bestimmter Proteine, die für die Aktivierung notwendig ist, wieder rückgängig.

Warum Parkinson-Patienten für manche Infekte anfälliger sind

An der mitochondrialen Regulation des NF-κB-Signalweges sind zwei Gene beteiligt, deren Mutation zur Parkinson-Erkrankung führt: PINK1 und Parkin. „Unsere Daten erklären, warum ein Funktionsverlust von PINK1 oder Parkin zu vermehrtem Zelltod von Nervenzellen unter Stressbedingungen führt“, so Konstanze Winklhofer. „Bemerkenswert ist der Befund, dass Parkinson-Patienten mit Mutationen im Parkin- oder PINK1-Gen anfälliger sind gegenüber verschiedenen Infektionen, die durch intrazelluläre Erreger ausgelöst werden. Somit tragen unsere Einblicke auch dazu bei, Schnittstellen zwischen dem Nervensystem und dem Immunsystem besser zu verstehen.“

Förderung

Die Arbeiten wurden gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Forschungsgruppe FOR 2848 und im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder im Exzellenzcluster Ruhr Explores Solvation RESOLV – EXC 2033 – 390677874 – sowie durch die Michael J. Fox Foundation for Parkinson’s Research.


Wissenschaftliche Ansprechpartner:

Prof. Dr. Dr. Konstanze F. Winklhofer
Lehrstuhl Molekulare Zellbiologie
Institut für Biochemie und Pathobiochemie
Medizinische Fakultät
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: +49 234 32 28428
E-Mail: konstanze.winklhofer@rub.de


Originalpublikation:

Zhixiao Wu et al.: LUBAC assembles a ubiquitin signaling platform at mitochondria for signal amplification and transport of NF-ĸB to the nucleus, in: EMBO Journal 2022, DOI: 10.15252/embj.2022112006


Bilder


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

Quelle: IDW